Julia Znoj
Im Gespräch mit Barbara Pflanzner, Studio Creative Cluster, 27.6.2023
In deiner künstlerischen Arbeit fällt als erstes das Material auf: Du verwendest neben Baumaterial recycelte Materialien, die du dann zu fragilen Objekten zusammenfügst. Welchen Stellenwert hat das Material denn für dich?
Das Material ist oft Ausgangslage für meine künstlerische Praxis sowie auch die Studio-Praxis: für das Sammeln, das in der Straße umhergehen, das Sachen anschauen und auch für das Verstehen, dass Material vielleicht so etwas wie eine (unterbewusste) Sprache der Gesellschaft ist, etwas, das über die Architektur der Räume, in die wir uns begeben, über ihre Beziehungen und ihre Ökonomie erzählt. Das Arbeiten mit Material hat etwas Spielerisches und gleichzeitig etwas inhärent Gegebenes. Das Material in eine Form zu zwingen, ist etwas, das inhaltlich für mich umstritten ist. Ich versuche, es in Resonanz mit seiner Geschichte treten zu lassen, so, dass es nicht zu etwas ganz Fremden wird.
Wo findest du diese Materialien?
Ich stehle kein Material von Baustellen, sondern nehme es, wenn offensichtlich ist, dass es nicht mehr gebraucht wird. Ich kaufe es aber auch. Es steckt kein rigides System dahinter. Es ist mir wichtig, keine Hierarchie in der Valorisierung des Materials herzustellen.
Weil du vorhin gesagt hast, dass das Material auch seine eigene Geschichte erzählt: Würdest du sagen, du spielst mit Referenzen?
Ja. Eine solche Referenz kann eine herkömmliche Lesart eines Materials sein, eine simple wäre vielleicht das Metall oder genauer die Härte des Metalls aufzubrechen – das sind einfache Transfermomente. Formal referiere ich innerhalb der Kunstgeschichte auf verschiedene Strömungen wie den Minimalismus oder auf biomorphe Skulpturen und auf Architektur. Ich versuche, bewusste Entscheidungen zu der Frage zu treffen, in welche Ästhetiken und Muster ich mich einschreibe, welche Muster, Materialien und Einstellungen ich gegenüberstelle.
Fast alle deine Arbeiten haben einen Werktitel. Inwiefern ist es dir wichtig, Bezüge oder ein Narrativ herzustellen?
In meiner letzten größeren Ausstellung, die von Ende 2022 bis Anfang 2023 im Kunstraum Schwaz präsentiert wurde, habe ich mit der Doktorarbeit Over her dead body von Elisabeth Bronfen gearbeitet, ein Buch das ich schon lange mit mir herumrumtrage. Darin untersucht Bronfen kunstgeschichtliche, westliche Darstellungen von Sterblichkeit und Tod anhand des weiblich gelesenen Körpers aus einer feministischen Perspektive. Der Tod ist im Anderen, im „Nicht-Ich“ situiert. In dieser Ausstellung habe ich verschiedene Geschichten und historische Figuren in ein Verhältnis zu den Skulpturen gesetzt Es hat mir geholfen, über die Abstraktion solcher Geschichten nachzudenken, ihnen ein Gegenüber zu geben.
Worum ging es in der Ausstellung genau?
In ihrer Doktorarbeit hat Elisabeth Bronfen über die unbekannte Ertrunkene aus der Seine, L‘inconnue de la Seine, geschrieben. Ich wollte mit der Frage spielen, wieviel Geschichte oder wieviel Text die Kunst oder der Diskurs Objekten zuschreiben kann und möchte. Wie verhält sich Narration mit radikal abstrakter Form, wie bleiben die Dinge unbeschrieben? Das ist auch der Stand, an dem ich mich grundsätzlich gerade befinde, auch wenn ich beispielsweise ein Artist Statement schreibe: die Aufgabe des Textes zu hinterfragen. Mit den neuen AI-Textgeneratoren befinden wir uns ja aktuell in einer ontologischen Unruhe, die auf alles in „unserer“ Umgebung ihren Effekt hat. Nichts ist unbekannt, das Unbehagen wächst. Die Fragen, die aufkommen, sind unendlich viele.
Im Studio hast du gerade eine Vielzahl an Objekten am Boden und den Wänden arrangiert, auf dem Tisch steht ein Modell eines Raumes, in dem Entwürfe von Exponaten platziert sind. An was arbeitest du da gerade?
Aktuell versuche ich, den Stand der ZONE 1 der Messe viennacontemporary zusammenzustellen, wo ich im September 2023 mit der Galerie Windhager von Kaenel zusammenarbeiten werde. Ich versuche, den Stand zwar nicht unbedingt site-spezifisch zu benutzen, die Bedingungen dieses Raumes aber dennoch miteinzubeziehen. Im Modell des Messestandes sieht man auch die Entwürfe neuer Arbeiten. Ich habe zuletzt mit Glas gearbeitet und möchte eine Art Glasoberfläche, die wie ein grob gebrochenes iPhone-Glas aussieht, großflächig produzieren. Für das Material bin ich aktuell in Kontakt mit einem Kunstgießer, mit dem ich darüber philosophieren kann, wie ich das umsetzen könnte. Ich frage mich, was sich aus diesem Transfer ergibt, wenn Inhalte in eine andere Größe übersetzt werden. Ich möchte nicht das Objekt reproduzieren, sondern viel mehr die Affekte, die beim Anfassen und Betrachten des gebrochenen Screens hervorgerufen werden. Im Prozess kann sich noch viel verändern.
Ich finde es interessant, dass du deine Arbeiten anhand eines Modells konzipierst, ist das immer deine Vorgehensweise?
Ja, ich habe immer schon Modelle für alles Mögliche erstellt. Diese sind für andere manchmal nicht so recht nachvollziehbar, mir hilft es aber, über die jeweiligen Ideen und Räume nachzudenken.
Du warst bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie Teil des Kunstvereins Gärtnergasse. Hattet ihr einen bestimmten Fokus mit eurem Programm?
Julija Zaharijević und ich haben den Kunstverein zuerst unter dem Namen Handbag gegründet, bevor wir mit anderen zusammen ein im Turnus geführtes Programm in der Gärtnergasse gestartet haben. Julija und ich wollten zu Beginn junge Künstlerinnen, die einen Anspruch für eine feministische Sprache in ihrer Kunst haben, präsentieren. So stellten wir uns das vor, haben aber schnell bemerkt, dass ein Raum seine eigene Dynamik besitzt, vor allem, wenn die Strukturen sehr offengehalten werden. Julija und ich sind immer noch sehr gut befreundet und sehen Potential, Handbag in der Zukunft noch einmal aufleben zu lassen. Ausstellungen zu organisieren gehörte zu unserer künstlerischen Ausbildung. Der Austausch mit anderen Künstler_innen hat mir bisher vieles näher gebracht.
Hier im Studio teilst du dir den Atelierraum mit deiner Kollegin Valentina Triet und ihr hattet zu Beginn des Programmjahres ein gemeinschaftliches Projekt geplant. Habt ihr an diesem Projekt weitergearbeitet?
Der Stand der Dinge ist tatsächlich, dass wir eine „Kollaboration im Leben“ gestartet haben. Das hierherkommen, gemeinsam Mittag essen und uns austauschen ist eine Art Zusammenarbeit geworden, die wir fortführen werden. Für die Zeit nach Abschluss des Programms suchen wir ein gemeinsames Atelier. Ein konkreter Output ist noch nicht entstanden, aber die Grundlage dafür wurde während des Programmjahres geschaffen.
Was ist über die Zeit des Studio-Programms hinaus noch geplant?
Wie gesagt nehme ich im Herbst an der ZONE 1 der viennacontemporary teil und dann präsentiere ich Ende des Jahres bei der WAF Galerie eine von Lisa Jäger kuratierte Ausstellung, darauf freue ich mich sehr.