Die Politik des Gehörens: Art Geographies
FWF | Elise-Richter-Fellow
Jelena Petrovic, Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften
Projektlaufzeit: 1.2.2019 – 30.9.2023
Das Projekt fokussiert auf den (post-) jugoslawischen Raum als einen paradigmatischen Fall erschöpfter Geographie, welcher durch künstlerische Praktiken, kuratorische Projekte und kunsttheoretische Forschungen erforscht wird und welcher sich auf den Begriff Jugoslawien vor und nach seiner Auflösung bezieht. Diese noch undefinierte und komplexe geopolitische Zone, bestehend aus den neuen nationalen Nachkriegsstaaten (Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Mazedonien und Serbien) fungiert als eine Zone des Unbehagens, als differentieller oder gegenöffentlicher Raum, in dem theoretische, künstlerische, aktivistische und kuratorische Praktiken auftreten und gleichzeitig sowohl Verlegungen als auch neue Orte verursachen, während sie verschiedene geopolitische Namen erhalten, wie: Südosteuropa, Balkan oder ehemaliges / Post / Ex-Jugoslawien.
Auf der Grundlage der Beziehung zwischen der heutigen Kunst und der zeitgenössischen Kunst (als historischer Kategorie), dem (post-) jugoslawischen Raum und der Erkenntnistheorie, hinterfragt das Projekt Möglichkeiten, das öffentliche Wissen, das diese Beziehung auslöst, zu produzieren, zu situieren und zu institutionalisieren. Die prozessorientierte Ausgabe des Projekts ist das lebende Archiv (ein epistemologisches Archiv oder Interarchiv), das aus kunstbasierten Praktiken, Theorien und Forschungen besteht, die sich mit dem Problem der geografischen Zugehörigkeit befassen. Das lebende Archiv wird als ein normativer Prozess der dialektischen Analyse konfliktreicher Ideen über die erschöpfte geopolitische Zone des (post) jugoslawischen Raums entwickelt, wobei sowohl die Geopolitik der Kunst als auch die Geographie der Kunst untersucht werden. Mit dem lebenden Archiv als (Gegen-) Raum sucht das Projekt nach politischer Subjektivierung (der Politik der Zugehörigkeit) und nicht nach (geo) politischer Identifikation (der Politik der Identität) dieses noch undomestizierten Wissens.
Dementsprechend verbindet das Projekt theoretische Einsichten mit Kunst und kuratorischen Praktiken, insbesondere solchen, die Geographie in die Sphäre des politischen Denkens und sozialen Lebens einführen. Durch performative Stimmen, visuelle Inschriften und ästhetische Störungen von entstehenden Kunstwerken, die die Politik des Affekts und der Politik des Irrtums produzieren, entwickelt das Projekt eine experimentelle Methode zur Erforschung neuer oder differentieller Kunst.
In der Auseinandersetzung mit der Unmöglichkeit, die zeitgenössischen Kunstsysteme und ihre erschöpften Geographien zu durchbrechen, erscheint die Politik des Irrtums als ein Symptom der lebendigen Kunstgegenwärtigkeit, insbesondere wenn es um die Frage nach (post) ideologischen partizipatorischen oder kollektiven Praktiken geht. Indem er den Irrtum als eine neue Wendung, genauer gesagt als eine Gegenwendung, einführt, eröffnet das Projekt Raum für eine neue Epistemologie, die sich mit beiden befasst: mit der Geopolitik von Kunst und Kunstgeographien.