CHIRURGISCHE GESTEN – Bewegungsforschung im Operationstheater
FWF | PEEK-Projekt
geleitet von Christina Lammer, Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften
Projektlaufzeit: 1.4.2015 – 30.9.2018
Das künstlerische Forschungsvorhaben Chirurgische Gesten untersucht operierende Hände. Diese werden in zweierlei Hinsicht erforscht: als motorische Präzisionswerkzeuge und als sich in die körperliche Wirklichkeit eines anderen Menschen einfühlende Organe. Berührung und Bewegung sind beim Operieren - im zwischenmenschlichen Kontakt - untrennbar miteinander verbunden.
Das im Operationstheater mit Video aufgezeichnete Bewegungsmaterial - operierende Hände - dient als Grundlage für die Entwicklung zeichnerischer und choreografischer Arbeiten. Das Forschungsvorhaben wird von Reaktionen auf eine in den vergangenen Jahren in der plastischen Chirurgie entstandene Videoinstallation inspiriert. Eine Serie von drei Hand Movies (Lammer 2012, HD Videos à 5'), www.corporealities.org/hand-movies/ , wurde bei unterschiedlichen Gelegenheiten im In- und Ausland diskutiert. Die Hand Movies bilden einen Ausgangspunkt. Wir - die bildende Künstlerin Barbara Graf, die Choreografin Doris Stelzer und ich, die Soziologin und Videomacherin Christina Lammer - sind speziell an den körperlichen Fertigkeiten von Chirurgen und Chirurginnen interessiert und wie sie sich diese aneignen. In unserem Verständnis sind die operierenden Hände Organe des zwischenmenschlichen Kontakts. Sie sprechen eine eigene Sprache. Die des Leibes. Sie - die Hände und ihr bewegendes Vokabular - wollen wir mit zeichnerischen und choreografischen Methoden erforschen.
Ein 'Bewegungsbuch' (Doris Stelzer) wird hergestellt. Wir arbeiten mit Video, Zeichnung und Choreografie, um die Körpersprache im Operationstheater zu entfalten und öffentlich zugänglich zu machen. Parallel zu den teilnehmenden Beobachtungen der Handbewegungen im Operationssaal werden Videointerviews in unterschiedlichen Bereichen der Chirurgie durchgeführt. Operateure erzählen über ihre Erfahrungen. In diese Gespräche wird ein 'Trockentraining' eingebunden. Der Arzt oder die Ärztin wird gebeten, exemplarische Handlungen beim Operieren vor laufender Kamera vorzuzeigen und zuvor aufzuzeichnen. Barbara Graf erfasst Handbewegungen mit dem Zeichenstift. Ihren Zeichnungen liegt die Idee zugrunde, dass der Prozess des Zeichnens, kulturell betrachtet, viel mit dem chirurgischen Schneiden zu tun hat. Als Inspirationsquellen dienen uns Operationsatlanten und Skizzen von Chirurgen und Chirurginnen. Theoretisch orientieren wir uns an der "Funktion des Leibes" beim Philosophen Henri Bergson. Doris Stelzer und ich üben die Chirurgischen Gesten gemeinsam ein, um mit dem Bewegungsmaterial performative Arbeiten zu entwickeln.
Projekt-Video:
http://scilog.fwf.ac.at/videos/operierende-haende-die-koerpersprache-der-chirurgie (Copyright: FWF)