Hans Scharoun (1893–1972): Bauen und Bilden von Freundschaften und Gemeinschaften
Ein Veranstaltungsabend im Haus Schminke. Gäste: Waltraud P. Indrist, Sandra Meireis, Ulrike Tillmann. Moderation: Angelika Schnell
„Was brauchen wir zum Leben?“ und „Was wünschen wir uns zum Leben?“ Diese Fragen – obwohl vor beinahe 90 Jahren – gestellt, haben ihre Relevanz nicht nur beibehalten; sie sind brennender denn je. Gestellt vom Architekturkritiker Adolf Behne reflektierten sie das Wohnen im architektonischen Entwurf von Scharouns Haus Mattern (1932–34). Dabei verdeutlichte Behne das Spannungsfeld, in dem sich Scharouns Vorstellung des Wohnens befand: Es sollte kosteneffizient sowie funktional materialisiert werden und zugleich das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft – also ihre jeweiligen Bedürfnisse –ausbalancieren.
Scharouns Architektur ist dabei zum einen eingebettet in den Diskurs der Moderne, der geprägt war von humanistischen bis hin zu technizistischen Vorstellungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens; letztere kehren aktuell in Form von (Mikro-)Utopien wieder.
Zum anderen lässt sich Scharouns architektonischer Entwurfszugang durch das Bauen und Bilden von Freundschaften und Gemeinschaften beschreiben. Konkret lässt sich das etwa anhand der performativen Architekturphotographie von Erich Behne zu seinen Häusern von 1933–39 nachweisen oder zeigt sich anhand der typologischen Kleinformen wie dem „Raum der Mitte“, die Scharoun wiederum etwa in den Wohnhochhäusern Romeo und Julia (1954–59) realisierte.
Die Veranstaltung nimmt also den 50-jährigen Todestag des Architekten zum Anlass, um aus seinem Architekturverständnis heraus Qualitäten und Potentiale für heutiges Wohnen abzuleiten. Das lässt sich wohl an keinem besseren Ort bewerkstelligen als in einem von Scharoun entworfenen Gebäude: im „Wohnzimmer“ von Haus Schminke in Löbau. Dabei werden die Gäste in kurzen Inputs Aspekte zum Thema des Abends erörtern und sie in der moderierten Runde diskutieren.
Im Anschluss gibt es Häppchen sowie Getränke an der Bar.
Die Veranstaltung wurde über das Netzwerk Architekturwissenschaft e.V. mit Fördermitteln der Sutor-Stiftung sowie dem ZfBK – Zentrum für Baukultur Sachsen gefördert.
Waltraud P. Indrist (link: http://akk.tugraz.at/team/waltraud-p-indrist/ ), Dipl.-Ing.in ist Architekturhistorikerin und -theoretikerin. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin ist sie am Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften der TU Graz sowie an der Akademie der bildenden Künste Wien tätig. An der Akademie schließt sie gerade ihre Dissertation über das Entwerfen und die performative Architekturphotographie als Ausdruck architektonischen Handelns im Werk von Hans Scharoun ab. 2018 war sie außerdem Co-Kuratorin der Ausstellung im Architekturzentrum Wien zu den biographischen Auslassungen des Architekten Roland Rainer (1936–45); gemeinsam mit Monika Platzer und Ingrid Holzschuh. Hierzu seit 2022 das FWF geförderte Forschungsprojekt „Ambivalenzen der Moderne – Roland Rainer ...“ unter der Leitung von Prof.in Angelika Schnell (P34938). Zuletzt erschienen: Batista, A., Indrist, W. (2022), "Time Sphere – Plant Life as Part of Architectural Design", in: Batista, A., Notions of Temporalities in Artistic Practice, De Gruyter, Berlin. https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783110720921-010/html
Sandra Meireis (link: https://www.abk-stuttgart.de/personen/sandra-meireis.html), Dr.-Ing.in ist Architekturwissenschaftlerin und Autorin. Sie lebt in Berlin und unterrichtet seit 2010 Architekturgeschichte und -theorie an unterschiedlichen Hochschulen: Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Universität Stuttgart, Technische Universität Berlin, Hochschule für Technik Stuttgart und Universität Kassel. Aktuell lehrt sie als Vertretungsprofessorin für Architektur- und Designgeschichte/Architekturtheorie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Zuletzt erschienen: Meireis, S. (2021), Mikro-Utopien der Architektur. Das utopische Moment architektonischer Minimaltechniken, transcript, Bielefeld. Online: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5197-3/mikro-utopien-der-architektur/
Angelika Schnell (link: https://www.akbild.ac.at/en/university/staff/48BAE45B6D8555D3), Dipl.-Ing.in, Dr.-Ing.in ist Professorin für Architekturtheorie, Architekturgeschichte und Entwurf an der Akademie der bildenden Künste Wien. Von 1993 bis 2001 war sie Redakteurin der Architekturtheoriezeitschrift ARCH + , Berlin und lehrte Architekturtheorie und -geschichte an der Technischen Universität Berlin, Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, der Universität Groningen sowie der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck bevor sie 2009 an die Akademie der bildenden Künste Wien berufen wurde. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf der Moderne in der Architektur und des Städtebaus des 20. Jahrhunderts. Außerdem ist sie auch Mit-Herausgeberin der Bauwelt Fundamente. Zuletzt erschienen: Schnell, A. (2019), Aldo Rossis Konstruktion des Wirklichen – Eine Architekturtheorie mit Widersprüchen. Bauwelt Fundamente, Bd. 163, Birkhäuser, Basel. Online: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783038212218/html
Ulrike Tillmann, Dipl.-Ing.in ist Architektin und Architekturhistorikerin. 2006 bis 2009 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Peter Märkli / Markus Peter an der ETH Zürich. Ihre laufende Promotion an der HU Berlin untersucht den Zusammenhang von Farbwissen und Farbgestaltung bei Bruno Taut. Zuletzt erschienen: Peter, M., Tillmann, U. (2020), Hans Scharoun und die Entwicklung der Kleinwohnungsgrundrisse – Die Wohnhochhäuser Romeo und Julia 1954–1959, Park Books, Zürich. Online: https://www.park-books.com/index.php?lang=de&page=books&view=co&booktype=order_1_releasedate&subject=1&artist=all&author=all&pd=pb&book=1076