Questioni d’amore
Liebes- und Geschlechterverhältnisse in der bildenden Kunst der Frühen Neuzeit. Eine Veranstaltung des Instituts für Kunst- und Kulturwissenschaften.
Konzeption: Doris Guth und Elisabeth Priedl.
TeilnehmerInnen: Birgit Witte (Florenz), Silke Segler-Messner (Hamburg), Claudia Denk (München), Daniela Hammer-Tugendhat (Wien), Marianne Koos (Fribourg)
Der Liebesdiskurs der Frühen Neuzeit nimmt eine zentrale Position in zahlreichen philosophischen, literarischen und medizinischen Traktaten ein. Dort spiegelt er Fragestellungen der Gesellschaft wider: Das Verhältnis zwischen den Geschlechtern, zwischen Privatem und Öffentlichem, zwischen den gesellschaftlichen Institutionen wie Kirche, Justiz, Medizin, den Universitäten, dem humanistischen Bürgertum und Adel. Bestimmt wird dieser Diskurs zu Beginn der Frühen Neuzeit vorwiegend von männlichen Autoren, wobei im Laufe des 16. Jahrhunderts auch in zunehmendem Maße Schriftstellerinnen in diesen Dialog eingreifen (Silke Segler-Messner). Die von einer hegemonialen Männlichkeit geprägte Gesellschafts- und Liebesordnung drückt sich auch in der künstlerischen Produktion der Zeit aus. Doch welche "Spielräume" sind hier möglich? Welche Formen der Repräsentation codieren legitime bzw. illegitime Liebesverhältnisse? (Birgit Witte, Claudia Denk, Daniela Hammer-Tugendhat) Nebst einer offiziell entwickelten profanen Liebes-Ikonographie, die auch eine politische Komponente aufweisen kann, sind bestimmte Kategorien der bildlichen Repräsentation hoch symbolisch codiert. Nicht offiziell geduldetes oder auch strafbares Begehren ist mitunter in ambivalenten Ikonographien verborgen und kann zwischen religiösen und profanen Bedeutungshorizonten oszillieren. (Marianne Koos).
Freitag, 12.03.2010
14.00 Uhr
Begrüssung: Rektor Stephan Schmidt-Wulffen
Einführung: Doris Guth und Elisabeth Priedl
14.30-15.30 Uhr
Birgit Witte (Florenz)
Das Bildnis der Ehefrau. Raffael und die Kunst der legitimen Liebe
Raffaels um 1505 entstandene Porträts des Florentiner Kaufmanns und Kunstmäzens Agnolo Doni mit seiner Ehefrau Maddalena nehmen im Oeuvre des Künstlers eine besondere Stellung ein. Sie gelten als erster, gesicherter Porträtauftrag an den noch jungen Maler, der sich zu diesem Zeitpunkt erst seit kurzem in der Stadt am Arno aufgehalten haben wird. Vieles spricht dafür, dass Raffael in diesen Jahren seiner ersten großen Aufträge in Perugia, Siena und Florenz weiterhin engen Kontakt zu seiner Heimatstadt in den Marken und dem herzoglichen Hof pflegte. Für die Bildfindung der Doni-Porträts jedenfalls scheinen gleich mehrere Momente auf Urbino und die dort entwickelten, höfischen Darstellungskonzepte zu rekurrieren. Andererseits entwickelt Raffael einen von diesen Bildformeln unterschiedenen, innovativen Darstellungsmodus, der zwischen mittelitalienischer Porträttradition und dem von Leonardo entwickelten Bildkonzept der Ehefrau bzw. der Geliebten oszilliert.
Etwa zeitgleich erfährt die Frau als exemplum virtutis in literarischen Kreisen ein neu erwachtes Interesse und damit einhergehend die Institution 'Ehe' eine entscheidende Neubewertung. Noch bevor 1528 Baldassare Castigliones Diskurs über weibliches Verhalten als Bestandteil des Libro del cortegiano gedruckt wird, befassen sich mehrere Schriften intensiv mit der Positionierung und Darstellung der Frau in der (höfischen) Gesellschaft, vor allem aber auch mit der Neudefinition eines weiblichen Tugendkanons, in dem insbesondere die eheliche Liebe eine zentrale Stellung einnimmt.
Vor diesem Hintergrund diskutiert der Beitrag das Verhältnis von dynastischen Repräsentationsstrategien und der Inszenierung tugendhafter, ehelicher Verbundenheit in der Malerei. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Übernahme literarisch (vor-)geformter Topoi und deren Bedeutung für die Genese des Ehepaarbildnisses zwischen höfischem Umfeld und bürgerlichen Repräsentationsstrategien um 1500.
15.45-16.45 Uhr
Silke Segler-Messner (Hamburg)
Geschlechternorm und Liebesdiskurs aus weiblicher Sicht: Tullia D'Aragona, Louise Labé und Gaspara Stampa
Zu den Prämissen weiblichen Schreibens in der Renaissance zählt neben der Durchsetzung der volkssprachlichen Dichtung und der Einführung des Buchdrucks die Kultur der ragionamenti d'amore und die dominante Imitatio-Ästhetik. Avanciert auf der einen Seite das Reden über die Liebe, das sich nicht auf die adligen Kreise beschränkt, zum Gesellschaftsspiel, an dem sich auch Frauen beteiligen, wie es Castigliones Cortegiano beispielhaft belegt, so ermöglicht die Nachahmung männlich tradierter Modelle den schreibenden Frauen den Zugang zum literarischen Betrieb. Insbesondere der petrarkistische Liebesdiskurs mit der Konzentration auf die Vorgänge im Inneren des Ich eröffnet Dichterinnen wie Louise Labé oder Gaspara Stampa einen Spielraum für Variationen, in dem sie die Möglichkeiten eines weiblichen Sprechens über die Liebe und dem damit verbundenen Liebesschmerz in Auseinandersetzung mit zeitgenössischen gender-Vorgaben auszuloten suchen.
Während sich im Bereich der Liebesdichtung im 16. Jahrhundert eine weibliche Tradition herausbildet, die zum Referenzsystem nachfolgender Generationen von Autorinnen wird, finden sich auf diskursiver Ebene im Gegensatz zur der Vielzahl männlicher Liebestraktate nur weinige Beispiele einer dialogischen Erörterung der Liebe aus weiblicher Sicht. Tullia D'Aragonas liebestheoretischer Beitrag Dialogo dell'infinità d'amore und Louise Labés Débat de Folie et d'Amour dienen deshalb in meinem Beitrag aus Ausgangspunkt für die Reflexion über das Verhältnis von Geschlechternorm und Liebesdiskurs, der eine Analyse der spezifisch weiblichen Sprechsituation im Petrarkismus am Beispiel ausgewählter Sonette von Labé und Stampa folgt. Gelingt es den Schriftstellerinnen des 16. Jahrhunderts spezifisch weibliche Varianten literarischer Liebesdarstellung zu präsentieren oder erschöpft sich die weibliche Rede in der Wiederholung der männlichen Setzungen?
17.00-18.00 Uhr
Claudia Denk (München)
Verborgene Liebe: Repräsentationen illegitimen Begehrens und ihre Schutzstrategien
Den Ausgangspunkt meines Beitrages bilden die grundlegenden Entwicklungen im Bereich des spätmittelalterlichen Eherechts, in deren Folge das christliche Ehemodell eine bis dahin unbekannte Aufwertung erlangte und zum einzig anerkannten Paarmodell erhoben wurde, während andere Partnerschaftsformen eine zunehmende Ahndung erfuhren. Von entscheidender Bedeutung für die Analyse der medialen Repräsentationen illegitimen Begehrens ist meines Erachtens die Tatsache, dass die strafrechtlichen Sanktionen vielfach vom erlangten Öffentlichkeitsgrad der illegitimen Beziehungen abhängig gemacht wurden. Gerade der Zusammenhang von Öffentlichkeitsgrad und Strafverfolgung wirkte sich wesentlich auf die medialen Repräsentationen illegitimen Begehrens aus, setzte doch jegliche Form der Medialisierung die dahinter stehenden realen Beziehungen der Gefahr einer "Veröffentlichung" aus. Neben werkimmanenten Schutzstrategien, die in einer ambivalenten Codierung liegen konnten, oder in einer entschärfenden "platonisierenden" Bildrethorik, soll der Fokus gerade auch auf den, freilich nur schwer zu rekonstruierenden, werkkontextualen Schutzstrategien liegen. Es ist zu fragen, an welchen Orten solche Bilder gezeigt wurden und welche Schutzvorkehrungen sich etablierten. Dabei sollen auch Michel Foucaults Überlegungen zu den Heterotopien zugrunde gelegt werden. Je dominanter die Normierung der Geschlechterbeziehung durch das neuzeitliche Ehemodell wurde, desto wichtiger wurde es, dass die illegitimen Liebesdiskurse an solchen "anderen Orten" stattfanden, die anderen Regulierungen folgten und jenseits der sozialen und rechtlichen Kontrolle lagen.
Mein Beitrag wird letztlich auf die medialen Repräsentationen der Mätressen der französischen Könige fokussieren, nicht nur, weil die Quellenlage besonders günstig ist und die Mätressen sich als historische Referenzgrößen besonders gut konturieren lassen, sondern auch, weil aufgrund der mehrere Jahrhunderte währende Tradition die hier aufgeworfenen Fragestellungen besonders gut nachvollziehbar werden.
Samstag, 13.03.2010
10.30-11.30 Uhr
Daniela Hammer-Tugendhat (Wien)
Liebe, Ehe, Sexualität und Geschlechterdifferenz in der
holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts
Der Vortrag wird von der Frage der Darstellbarkeit von Liebe ausgehen. Liebe ist eine Emotion, die im Unterschied etwa zu Angst oder Zorn in Mimik und Gestik kaum repräsentierbar ist. Die Frage nach der Sichtbarkeit beziehungsweise Unsichtbarkeit von Liebe soll an den unterschiedlichen Herangehensweisen von Rembrandt und Vermeer diskutiert werden. Desweiteren wird die neue, bürgerliche Konzeption einer Verbindung von Liebe und Ehe am Beispiel von Rembrandts Braunschweiger Familienbild vorgeführt. In einem dritten Schwerpunkt werden wir uns mit der Verschärfung der Geschlechterdifferenz befassen, die sich in der Repräsentation von Sexualität in der holländischen Malerei der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts abzeichnet.
11.45-12.45 Uhr
Marianne Koos (Fribourg)
Das Martyrium der Liebe. Eine Ikonographie der Ambiguität.
Wo die Wissenschaft zur Frühen Neuzeit von "Martyrium" spricht, geht es für gewöhnlich um die christliche Ikonographie. Dieser Vortrag möchte hingegen eine andere Art des Martyriums untersuchen: das Martyrium der Liebe, das durch die Pfeile des Blicks verursacht wird. Trotz anders lautender Erkenntnisse aus den letzten Jahren werden diese Bilder weiterhin als Darstellungen des christlichen Martyriums des Hl. Sebastian interpretiert. Oder sie werden, wie jüngst geschehen, als ambigue beschrieben, um sie letztlich wiederum als Gemälde mit religiöser Bedeutung zu bestimmen: Wie etwa behauptet wird, läge der besondere Reiz für den Betrachter in der Möglichkeit, die schönen Jünglinge mit Pfeil (die schmerzhafte Liebe evozieren) im Prozess der Betrachtung in eine Repräsentation des Heiligen zu verwandeln. Wie dieser Vortrag argumentieren möchte, missachtet eine solche Deutung allerdings die spezifische Ikonographie des "Martyriums der Liebe", die ihre Wurzeln in der frühneuzeitlichen Liebeslyrik hat. Zweifellos weisen alle Bilder, die dieser profanen Ikonographie angehören, markante Strukturen der Ambiguität auf. Allerdings stellen diese die letztendlich sekulare Bedeutung der Darstellungen nicht in Frage. Dies soll im ersten Teil des Vortrags an einem erweiterten Bildmaterial argumentiert werden. In einem zweiten Teil möchte sich der Vortrag Dosso Dossis Tafelbild des sogenannten "Heiligen Sebastian" (Mailand, Brera) zuwenden. Wie über eine genaue Analyse gezeigt werden soll, ist das ein Gemälde, das - anders als die oben genannten Bilder von Knaben und jungen Männern mit Pfeil - nun in der Tat ambivalent zwischen religiös und profan oszilliert. Der Vortrag möchte die profane Ikonographie des "Martyriums der Liebe" nochmals fundieren, die Differenzen zwischen diesen Bildern und Dossos sogenanntem Tafelbild des "Hl. Sebastian" aufzeigen, und die unterschiedlichen Strukturen der Ambiguität analysieren.