Revers de Trompe
Öffnungszeiten: Di–So, 10.00–18.00 h, Eintritt frei
Sonderöffnungszeiten:
Lange Nacht der Museen: Sa, 03.10.2015 / 10.00–1.00 h
geöffnet am 26.10.2015 und 01.11.2015 / 10.00–18.00 h
Künstler_innen : Franz Bergmüller, Marcin Dudek, Judith Fegerl, Erich Gruber, Doris Theres Hofer, Stefan Klampfer, Kris Lemsalu, Philips Angel van Middelburg, Nicole Miltner, Domenico Mühle, Raimund Pleschberger, Markus Proschek, Almut Rink, Hans Schabus, Nicole Six & Paul Petritsch, Siegfried Zaworka
In Zusammenarbeit mit der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien
Kurator : Siegfried Zaworka
Eröffnung : Donnerstag, 01.10.2015, 19.00 h
Begrüßung : Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien
Einführung : Siegfried Zaworka, Kurator
Unter dem historischen Begriff des Trompe-l'Œils wird häufig eine möglichst absolute Täuschung verstanden – als wäre der Indikator eines gelungenen „Täusche das Auge!“ das völlige sich Absentieren des Kunstkontextes. Dabei liegt der Reiz von Trompe-l'Œils gerade im Wissen um das Ausloten von Darstellungspotenzial, im grenzüberschreitenden Einsatz von Medien sowie im Austausch und in der Wechselwirkung von Bildrealitäten und Bedeutungsebenen.
Die Hypersimulation des Trompe-l'Œils – nach Jean Baudrillard eine zu große Ähnlichkeit von Darstellung und Dargestelltem herstellend und damit die Realitätsprinzipien der dritten Dimension sowie deren Konstruktionsmethodik am Bildträger in Frage stellend – unterminierte einst die Konventionen hierarchischer Figürlichkeit und repräsentativer Räume der Renaissance. Den Bildobjekten des Trompe-l'Œils schreibt Baudrillard eine „phantastische Prägnanz“ zu, vergleichbar jener, die Kinder beim Entdecken ihres eigenen Bildes erführen, und attestiert diesen Objekten Bestandteile einer „...urplötzlichen Halluzination, die der Ordnung der Wahrnehmung vorangeht.“*
Umgekehrte und umgestülpte Perspektiven suggerieren den Betrachter_innen, selbst das angepeilte Ziel von etwas zu sein, das sich aus dem Kern des Werkes generiert – eine Reversion der Raumtiefe kulminiert in der Wahrnehmung des eigenen Körpers als Brennpunkt von Fluchtlinien.
Neben der Einebnung von High and Low Art mittels Motivik, die von alltäglichen Gegenständen zu bisher nicht bildwürdigen Sujets reicht und Teil selbstreflexiver Betrachtung von Konventionen der Kunstpraxis ist, wird bisweilen die künstlerische Tätigkeit samt Herstellungsprozess inklusive handwerklicher Bedingungen zur selbstreferenziellen Thematik.
In Revers de Trompe werden Arbeiten, die das traditionelle formale Repertoire des Trompe-l'Œils zitieren, mit solchen zueinander in Beziehung gesetzt, die nicht auf den ersten Blick einer Weiterführung der historischen Trompe-l'Œils impliziten Kunstpraxis zuzuordnen sind. Illusionistische Vorstöße innerhalb medialer Bereiche wie Malerei, Plastik oder Tapisserie prallen hier exzessiv auf ihre Grenzlinien, während sich kinetische Objekte in ihren zeitlichen Schwebezustand einfinden und sich Dargestelltes, Vorgestelltes und vermeintlich Tatsächliches in multistabiler Wahrnehmung verkoppelt. Allen Ausstellungsbeiträgen gemein ist jedoch eine offensive, mit Überraschungsmomenten durchzogene Planung ihrer durch sie selbst erzeugten Rezeptionsmodi. Sie verweisen somit in ihren strukturellen Betrachter_innen-Kunstwerk-Raum-Relationen auf jene Gestaltungsideen, die als Trompe-l'Œil die Scheidelinie von Kunst zur Nicht-Kunst, von Bild zum Nicht-Bild – immer auch mit Augenzwinkern – demontierten.
So wird in Revers de Trompe Marcin Dudeks Atelierbau am Dach einer Londoner Galerie gezeigt – das Herstellen einer temporär nutzbaren Produktionsstätte wird zur Motivik einer Fotoserie. Judith Fegerl macht räumliche Eigenheiten zu Ausgangspunkten für ortspezifische Eingriffe und aktiviert dadurch den Raum als Material und Körper – sowohl die Positionierung der Installationen selbst wie auch die Position der Betrachter_innen sind hierfür wesentlich.
Kris Lemsalu konkretisiert mediale Relationen in reale Materialitäten und lässt diese auf den Ausstellungsraum übergreifen. Nicole Six und Paul Petritsch befragen mit einer allseitig verspiegelten, programmierbaren und sich in unmerklicher Geschwindigkeit fortbewegenden Wand Betrachter_innen-Kunstwerk-Raum-Relationen.
Franz Bergmüller verhilft in seinen kinetischen Arrangements autokonservierenden Überresten abgestorbener Natur, wie auf Pizzaresten platzierten Chitinpanzern, zu neuem Leben. In Erich Gruber s Darstellungen naturkundlicher Tierpräparate manifestiert sich deren exemplarisch inszenierte Lebendigkeit in Schichtungen verschiedener illusionistischer Plausibilität.
Stefan Klampfer bezieht sich in Facepots auf mystische Gefäße aus dem 19. Jahrhundert, deren Funktion im Ausstellungsraum im übertragenen Sinn eine Vertreibung »böser Geister« aus der Kunstwelt ist – wenn dies auch optimistisch erscheinen mag. Nicole Miltner wählt für ihre illusionistische Tapisserie dargestellter Körperteile diejenigen, die von einem im 17. Jahrhundert als Justaucorps bezeichneten Herrenrock in getragenem Zustand bedeckt worden wären.
Doris Theres Hofer s Einsatz präziser textiler Verfahren zur mimetischen Nachbildung lapidarer Vorlagen, z. B. Farb- und Kaffeeflecken, verweist auf die Existenz paradoxer Äquivalente. Markus Proschek s entpersonalisierte Maltechnik verwischt Grenzen zwischen dokumentarischem Blick, Aneignung politischer Ästhetik und Manipulation der Bildvorlage – Verschiebung und Reflexion spielen hierbei die zentrale Rolle.
Raimund Pleschberger entleert und redefiniert in Interieur: Captor Pulveris die Inhaltlichkeit abgegossener Dinge des Alltags durch gipsfarbene Vereinheitlichung und Gruppierung in ornamentaler Struktur.
Almut Rink verschränkt in ihren Tutorialvideos Bilder als digitale Natursurrogate mit Montagen eigener Texte und Literatur z. B. aus Philosophie, Umweltsoziologie und Computeranimation. In Hans Schabus’
Haaans setzt sich das Abbild seines Gesichtes, für Inserate in Teile zersplittert und in verschiedenen Druckqualitäten in einheitlichem Maßstab veröffentlicht, als heterogenes Ganzes zusammen – Relationen persönlichen Erlebens und medialer Repräsentation werden anschaulich.
Die Kernthese Revers de Trompes ist die Behauptung der Zeitresistenz von Gestaltungskonzepten, die, rückverfolgbar bis in die Antike, sich im Manierismus noch mit den Stilmitteln des Trompe-l'Œils manifestierten und eine planmäßige Befragung des Systems Kunst ab dem Vorfeld der Moderne in erstaunlichen Bereichen vorwegnahmen, um sich durch sämtliche Paradigmen der Jahrhunderte in divergenter Weise in die aktuelle Kunstpraxis zu transformieren.
Folglich ist in die zeitgenössischen Positionen der Ausstellung – in Kooperation mit der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien – mit einem Stillleben Philips Angel van Middelburgs auch ein originales Werk aus dem 17. Jahrhundert integriert und mit einer von Domenico Mühle für Revers de Trompe angefertigten Kopie eines sich ebenfalls in der Gemäldegalerie befindlichen Gemäldes Samuel van Hoogstratens in einen denkwürdigen Zweiklang gebracht.
* Baudrillard, Jean: Von der Verführung , München: Matthes & Seitz Verlag GmbH, 1992, Seite 90–91
Siegfried Zaworka
, geb. 1972 in Wolfsberg, ist bildender Künstler und Musiker.
Sa, 03.10.2015, 21.30 h, xhibit
Albert Mayr , Performance
Eine Installation musikalischer Apparaturen – zu weiten Teilen aus Attrappen bestehend – wird zum Klangerzeuger.
Mi, 14.10.2015, 16.00 h, xhibit
Künstler_innengespräch
Stefan Klampfer, Almut Rink, Nicole Six und Paul Petritsch mit Siegfried Zaworka.
Do, 29.10.2015, 18.30 h, M 13a
Georg Wasner (Filmemacher)
Artefakt, Effekt, Affekt : „Oceano Nox“ (2011), Einblick in „Accelerando“ (work in progress)
Projektion und Gespräch
Fr, 30.10.2015, 16.00 h, xhibit
Kuratorenführung
mit Siegfried Zaworka
Stand: 07.09.2015