HIERONYMUS BOSCH. Zwischen Wahn und Wirklichkeit.
Vortrag anlässlich des 500. Todesjahres von Hieronymus Bosch von Prof. Dr. Nils Büttner, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
Begrüßung: Mag. Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien und Dr. Julia M. Nauhaus, Direktorin von Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett und Glyptothek der Akademie der bildenden Künste Wien
Wann genau Hieronymus Bosch gestorben ist, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass er am 9. August 1516 als guter Christ nach katholischem Ritus in seiner Heimatstadt s’Hertogen-bosch bestattet wurde. Das Rechnungsbuch der Liebfrauenbruderschaft verzeichnet die Kosten der feierlichen Messe. Jeder Chorsänger erhielt einen Obolus und selbst für jeden Armen vor dem Chor gab es ein kleines Geldgeschenk. Die Witwe erhielt eine Zuwendung für den schwarzen Stoff, mit dem der Altar geschmückt wurde. Darüber hinaus sorgte die Bruderschaft für eine angemessene Memoria, ein ehrendes Angedenken.
Als Maler war der um 1450 geborene Jheronimus van Aken, der sich nach seiner Heimatstadt Bosch nannte, schon damals für seine fantastischen Bilderfindungen berühmt. Heute ist sein Name zum Synonym für Spuk und Höllenbilder geworden. Bosch's Bilder geben dem Betrachter Rätsel auf. Das hat unzählige Interpretationen zur Folge gehabt. Man hat im Kontext der Alchemie nach Erklärungen für die vermeintlich unerklärliche Bildsymbolik geforscht oder unterstellt, er habe geheimen heidnischen Kulten gehuldigt. Mit größter Ernsthaftigkeit wurde erwogen, ob er dem Sektiererorden der „Brüder und Schwester des freien Geistes“ angehörte oder den als Ketzern verfolgten Adamiten. Man suchte Indizien dafür, dass er Katharer gewesen sei und okkulten Praktiken, der freien Liebe gefrönt oder sich geheimnisvoller Drogen und Hexensalben bedient habe. Man suchte esoterische Zugänge zu seinen Bildwelten zu erspüren, die man auch mit den Methoden der Psychopathologie und Psychoanalyse zu entschlüsseln suchte. Seinen Zeitgenossen galt er hingegen als guter Christ.
Die historische Person geriet dabei zunehmend in den Hintergrund, dabei sind Boschs
Leben und sein Werk für einen Maler seiner Zeit ungewöhnlich gut dokumentiert. So sind aus der Lebenszeit Boschs etwa hundert historische Urkunden bewahrt geblieben, die seine gesellschaftliche Position beleuchten und Aufträge und Werke dokumentieren.
Der Vortrag zeichnet die Karriere des Malers nach, der für die höchsten adeligen und höfischen Kreise – unter anderem für Philipp II. von Spanien – arbeitete, und erläutert dessen Werke vor dem Hintergrund der damaligen Kultur und Lebenswirklichkeit. Zugleich nimmt er die Erträge der neueren Forschung und deren Ergebnisse kritisch in den Blick. Selbst-verständlich wird auch vom Triptychon mit dem Jüngsten Gericht die Rede sein, das derzeit das einzige Bosch-Werk in Österreich ist. Denn aufgrund des fragilen Zustands der Holz-tafeln, auf die der Künstler gemalt hat, konnte es nicht zu den großen Bosch-Ausstellungen nach s’Hertogenbosch und in den Prado nach Madrid reisen.
Prof. Dr. Nils Büttner zählt zu den renommiertesten deutschen Kunsthistorikern. Er ist Lehrstuhlinhaber für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart und leitet zugleich die dortige Kunstsammlung und das Archiv.
Nils Büttner hat an der Georg-August-Universität Göttingen mit der Arbeit „Die Erfindung der Landschaft: Kosmographie und Landschaftskunst im Zeitalter Breughels“ promoviert und sich 2004/05 mit der Arbeit „Herr P. P. Rubens. Von der Kunst, berühmt zu werden“ habilitiert.
In der Reihe C. H. Beck Wissen erschienen 2007 und 2010 Publikationen zu Rubens und Vermeer, 2014 im Reclam-Verlag eine Rembrandt-Biographie. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit sind die deutsche und niederländische Kunst- und Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit sowie die Geschichte von Graphik und Buchillustration.
2012 legte Büttner, ebenfalls im Münchner C. H. Beck Verlag, eine Einführung zu Hieronymus Bosch vor, die als die beste zum Werk des niederländischen Meisters gilt.