Höllenzeichnungen
Joseph Anton Kochs Zeichnungen zu den Gesängen des Inferno aus Dantes Göttlicher Komödie.
Joseph Anton Koch (Obergiblen / Tirol 1768 –1839 Rom), der künstlerisch an der Schwelle vom Klassizismus zur Romantik stand, zählte zu den bedeutendsten Landschaftsmalern seiner Zeit und verband oft Naturdarstellungen mit Szenen aus der antiken Mythologie oder der biblischen Geschichte. Der Künstler lebte über Jahrzehnte in Rom und wurde dort zum Mentor vieler junger deutscher Künstler im Kreis der Nazarener, aber auch darüber hinaus.
Das Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien besitzt einen der größten Bestände an Zeichnungen von Koch, die bis auf wenige Ausnahmen als geschlossenes Konvolut aus dem Nachlass des Künstlers 1865 in die Sammlung gelangten. Nachdem die Akademie zuletzt 2011 eine Auswahl aus Kochs Schaffen zeigte, legt diese Sonderausstellung nun den Fokus auf die Zeichnungen zu den Gesängen des Inferno aus Dantes Göttlicher Komödie . Von Koch sind 210 Illustrationen aus den Jahren 1801 bis 1813 überliefert, die zu einem gescheiterten Buchprojekt gehören. 55 von ihnen befinden sich im Kupferstichkabinett der Akademie. Dabei stammen insgesamt 43 Werke gänzlich von der Hand Kochs, die restlichen Zeichnungen wurden von seinem Schwiegersohn Johann Michael Wittmer überarbeitet oder nach Koch’schen Entwürfen von diesem gezeichnet. In vier großen Wandbildern für die Villa Massimo in Rom fasste Koch 1825/26 noch einmal seine Beschäftigung mit Dante zusammen und schuf je zwei Darstellungen zum Inferno und zum Purgatorio. Für diese Fresken befinden sich Vorstudien im Bestand, eine von ihnen ist in der Ausstellung zu sehen. Koch ließ sich von Giotto, Signorelli und Michelangelo ebenso inspirieren wie von Albrecht Dürer. In seinen Dante-Zeichnungen lassen sich auch Bezüge zu Hieronymus Boschs Weltgerichts-Triptychon herstellen.
Der Künstler war einer der profundesten Kenner der Divina Commedia und konnte weite Passagen auswendig zitieren. Dante Alighieri (Florenz 1265 –1321 Ravenna) verfasste sein Versepos, das sich in Inferno (Hölle), Purgatorio (Fegefeuer) und Paradiso (Paradies) gliedert, um 1307 bis um 1320. Es gilt heute als italienisches Nationalepos und gehört zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur. Bis heute reizt es Künstler und Künstlerinnen, sich mit Dantes Reise an der Seite des römischen Dichters Vergil durch die neun Kreise der Hölle und durch das Fegefeuer auseinanderzusetzen. In das Paradies wird Dante von Matelda begleitet und begegnet dort seiner Geliebten Beatrice wieder.
Joseph Anton Koch widmete sich fast ausschließlich Szenen aus Inferno und Purgatorio. Erste Entwürfe stammen aus der Zeit um 1801/02, die meisten Arbeiten entstanden um 1803.
Die Ausstellung präsentiert eine Auswahl an 20 Zeichnungen, die Szenen aus verschiedenen Gesängen des Inferno in dem für Koch typischen impulsiven Federstrich zeigen. Es handelt sich nicht um Illustrationsvorlagen, sondern um Studien und Entwürfe. Zu den jeweiligen Motiven existieren oft mehrere Versionen, die sich auch in anderen Sammlungen befinden. Ein Blatt von Johann Michael Wittmer verdeutlicht, wie gänzlich verschieden der Stil seiner Zeichnungen von dem des Schwiegervaters ist. Während Wittmer sehr akkurat zeichnet, geht es Koch um die Komposition der Figurengruppen; oft handelt es sich auch um Szenen aus mehreren Gesängen, die der Künstler in einer Zeichnung vereint. Seine Darstellungen sind dynamisch und voll dramatischen Ausdrucks.
Der Dante-Kenner Ludwig Volkmann würdigte 1897 Kochs Zeichnungen: »Man weiß nicht, was man mehr bewundern soll – die Intensität, mit welcher der Deutsche die italienische Dichtung in sich aufnahm und künstlerisch verwertete, oder die Mannigfaltigkeit der Ausdrucksmittel, die er dem einen Stoff dienstbar machte.«