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Geschichte

Seit der Gründung der Akademie der bildenden Künste Wien im ausgehenden 17. Jahrhundert befinden sich Zeichnungen und Druckgrafiken im Haus. Sie wurden als Vorlagematerial, Anschauungsobjekte und Inspirationsquellen im Unterricht verwendet. Ein wertvoller Fundus solcher Lehrmittel vor allem aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert hat sich im Bestand des Kupferstichkabinetts erhalten. 


Unbekannter Künstler, Mund- und Nasenstudien, vor 1751, Rötel auf Papier

Nach seiner Anfang 1772 erfolgten Ernennung zum Protektor der Akademie leitete Staatskanzler Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg eine umfassende Reorganisation der Institution ein. Diese bestand unter anderem darin, die bisherige Kunstakademie mit der Commerzial-Zeichnungs-Akademie (auch Manufakturzeichenschule genannt), der Kupferstecherakademie und der Erzverschneidungsschule zur k. k. vereinigten Akademie der bildenden Künstezusammenzulegen. Im Rahmen dieser Reorganisation wurde mit Beschluss des akademischen Rats vom 19. Februar 1772 auch eine eigene Bibliothek mit angeschlossener Grafiksammlung gegründet. Dort versammelte man die bereits vorhandenen Bestände insbesondere der Kunstakademie und der Kupferstecherakademie, wobei ausgewählte Bücher und Grafiken in jenen Klassen verblieben, wo sie von besonderem Interesse waren. Der Gründungsauftrag sah den Aufbau einer Lehrmittelsammlung vor, die „den Künstlern [...] nützlich seyn [...]“ könnte. In den kommenden Jahrzehnten erfolgte mit Hilfe gut dotierter staatlicher Mittel der Ankauf von größeren Konvoluten von Zeichnungen und Druckgrafiken. Auch Aufnahmearbeiten, die Akademiemitglieder seit 1751 als Belege ihrer Fertigkeiten abzuliefern hatten, und vereinzelte Preisarbeiten gelangten in den Bestand. Im Jahr 1805 war die grafische Sammlung daher auf über 11.000 Blätter angewachsen.


Charles Nicolas Cochin der Jüngere (Entwurf), Benoît-Louis Prévost (Stecher), Das Studium des Zeichnens(Aufnahmewerk), 1763, Kupferstich und Radierung

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfuhr die Sammlung vor allem unter dem Protektorat von Klemens Wenzel Lothar von Metternich durch großzügige Schenkungen und Legate von Privatpersonen eine qualitativ wie quantitativ enorme Erweiterung. Diese Zuwendungen umfassten nicht selten mehrere tausend Blätter und beinhalteten so bedeutsame Konvolute wie die gotischen Baurisse, Altmeisterzeichnungen von Albrecht Dürer, Albrecht Altdorfer und Rembrandt Harmensz. van Rijn oder die Bühnenbild- und Festdekorationsentwürfe der Familie Galli Bibiena. Zu den größeren Donationen zählen dabei das Legat von Franz de Paula Neumann von 1816, die Schenkungen von Ludwig von Remy aus der Zeit zwischen 1838 und 1840, die Schenkung von Fürst Rudolf von Colloredo-Mansfeld von 1838 sowie die Legate von Franz Jäger jun. von 1839 und Vincenz von Eyssen von 1844. Mit Hilfe dieser privaten Zuwendungen und der weiterhin gepflegten staatlichen Ankäufe und Zuweisungen wuchs die Sammlung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts auf über 50.000 Werke an. 


Rembrandt Harmensz. van Rijn, Landschaft mit Schenke und Bauernhäusern unter Bäumen, um 1660, Eisengallustinte auf Papier

In der zweiten Jahrhunderthälfte begann sich das ungeschriebene Leitbild der grafischen Sammlung zu erweitern. Stand bislang der Lehrmittelgedanke im Mittelpunkt des Interesses, so traten bei Neuerwerbungen nunmehr kunsthistorische und sammlungsimmanente Überlegungen in den Vordergrund. Diese Veränderung ist bereits unter dem Bibliothekar und Kustos der grafischen Sammlung, Johann Trost, etwa bei dem 1850 erfolgten Ankauf der Blumenaquarelle von Moritz Michael Daffinger festzustellen, wird aber unter seinem Nachfolger Carl von Lützow ab 1866 zunehmend forciert. Das trifft insbesondere auf die gezielten Ankäufe der vorwiegend romantische Künstler des süddeutschen und österreichischen Raums umfassenden Sammlung von Johann Christoph Endris im Jahr 1868 und der Dürer-Druckgrafik-Sammlung von Edward Jakob von Steinle im Jahr 1873 zu. 


Julius Schnorr von Carolsfeld, Christi Gleichnis von den Ähren, 1816, Feder und Pinsel in Schwarz und Braun, Vorzeichnung mit Bleistift, auf Papier

Etwa zur selben Zeit begann man auch in der Bibliothek eine Sammlung fotografischer Abzüge anzulegen. Die ersten Abzüge gelangten im Sommer 1854 schenkungshalber in den Bestand. Im November 1855 erfolgte der erste gezielte Ankauf durch den Architekturprofessor Eduard van der Nüll im Pariser Atelier der Fotografen Bisson Frères. Im Folgenden wurde die Akademie regelmäßig von Buch- und Kunsthändlern mit fotografischen Abzügen versorgt, sodass gemeinsam mit einigen privaten Schenkungen in der Zeit um 1920 bereits rund 15.000 Abzüge vorhanden waren. Sie bilden den Grundstock der heutigen Fotografie-Sammlung im Kupferstichkabinett. 


Bisson Frères, Pavillon de l’Horloge des Louvre in Paris, 1854, Salzpapierabzug

Auch im 20. Jahrhundert wurde die Dualität von Lehrmittelsammlung und einer Grafiksammlung, die kunsthistorischen Überlegungen folgt, beibehalten. So gelangten vorwiegend Werke von Künstler_innen in den Bestand, die mit der Akademie in Verbindung stehen – sei es als deren Schüler_innen, Lehrende oder anderwärtig mit dem Haus verbundene. Darunter befinden sich etwa die Archivalien und zahlreichen Zeichnungen der Hagengesellschaft, ein großes Konvolut von Entwurfszeichnungen von Otto Wagner oder der Nachlass des Architekten Ernst Anton Plischke. Um dem Anspruch als visuelles Gedächtnis der Akademie gerecht zu werden, initiierte 1997 die damalige Leiterin des Kupferstichkabinetts, Monika Knofler, die seitdem jährlich erfolgenden Ankäufe zeitgenössischer Kunst unter besonderer Bedachtnahme auf Absolvent_innen der Akademie. 


Otto Wagner, Entwurf der Vorzimmerkoje in der Wohnung Otto Wagners in der Köstlergasse 3, 1898, Tusche und Aquarell, Vorzeichnung mit Bleistift, auf Papier

Im Jahr 2004 wurde mit Inkrafttreten des Universitätsgesetzes 2002 das Kupferstichkabinett von der Bibliothek getrennt und als eigenständige Abteilung eingerichtet. Seit 2016 steht es unter gemeinsamer Direktion mit der Gemäldegalerie und Glyptothek. Seit 2021 sind diese drei Sammlungen unter dem Dach der Kunstsammlungen der Akademie der bildenden Künste Wien zusammengefasst.