Nachhaltigkeitsstrategie Akademie der bildenden Künste Wien
Kunst und ästhetischer Diskurs haben seit Jahrhunderten den Charakter einer – wenn auch scheinhaften – Verheißung. In der Kunst werden klassischerweise mit der Idee der Schönheit sowie durch die kritische Auseinandersetzung mit der historischen Situation Fragen des Glücks verhandelt. Die Akademie der bildenden Künste Wien ist einem Kulturverständnis verpflichtet, das die Entwicklung künstlerischer Formen im Zusammenhang der Gestaltung eines guten Lebens denkt. Sie profitiert dabei von dem Freiraum, der den Universitäten verfassungsmäßig gewährt ist, um diese Fragen ergebnisoffen zu stellen, zu diskutieren und dafür auch urbane Räume zu erschließen, in denen diese Perspektiven Relevanz gewinnen können. Bei uns erhalten existenzielle Fragen Raum: Müssen wir Kunst und Architektur produzieren/bauen/verkaufen? Wie ist das Verhältnis von Kunst und Konsum? Wem dient die Wissenschaft? Wessen Erbe ist das kulturelle Erbe? Das entspricht unserem Selbstverständnis von qualitativ hochwertiger und kritischer Bildung – in den Bereichen von Kunst, Architektur und Vermittlung auch vor dem Hintergrund von forschender (und) künstlerischer Praxis im Umgang mit städtischen Strukturen (SDG 4, 11).
In der Kunst hat die Frage des Weglassens eine lange Geschichte, Abstraktion, Reduktion und Minimalismus sind Suchbewegungen nach den Grundprinzipien und Wesensbestimmungen der ästhetischen Gestaltung. Ein wesentlicher Aspekt der künstlerischen Avantgarden war die Bemühung um eine Überführung von Kunst in die Lebenspraxis. Im Lichte der politischen Neubewertung des Verhältnisses von Wachstum, Wohlstand und Glück ̶auch in der strategischen Orientierung von Staatsregierungen̶ ist die Rolle von Reduktion für zeitgemäße lebenswerte Lebensstile von zunehmender Bedeutung. In der Diskussion des guten Lebens treten die Widersprüche von Verzicht und Überkonsum aufeinander (SDG 12); zeitgemäße Nachhaltigkeitspolitik lässt sich aber ohne Kritik des Wachstums nicht denken. Diskussionen zu Perspektiven einer Gesellschaft nach dem Wachstum (im Sinne von post- und degrowth) finden daher an der Akademie der bildenden Künste Wien nachdrücklich statt. Ästhetische Qualität und damit die Qualität von Kunst und künstlerischer Bildung ist nicht in Strukturen quantitativen Wachstums zu beschreiben. Sie schlägt sich in der Qualität und Struktur von Erfahrungsprozessen und die sie begleitenden Diskurse nieder. Zugleich diskutiert sie die Produktionsbedingungen solcher Erfahrung.
Während über individuelle Vorlieben in der Lebensgestaltung, über Eigentumsverhältnisse, die Struktur gesellschaftlicher Institutionen und zahlreiches mehr gestritten werden kann, ist der Erhalt der planetarischen Lebensgrundlagen ein absolut unverhandelbares Leitprinzip. In diesem konkreten Sinn heißt Nachhaltigkeit an der Akademie der bildenden Künste Wien in allererster Linie Klimagerechtigkeit (SDG 6, 7, 13). Vor der Gestaltung des guten Lebens steht notwendigerweise zunächst die Verteidigung seines Fortbestands. Im Rahmen unserer Kernaufgaben als Kunstakademie – der forschenden und lehrenden Auseinandersetzung mit Lebensformen und Erfahrungsprozessen – haben diese Fragen Priorität.
Die unmittelbare Bedrohung durch die Klimakatastrophe verleiht der Figur der Reduktion sowie deren Überführung in den gelebten Alltag zusätzliche Dringlichkeit – insbesondere für eine Institution, die ihrer zentralen Bestimmung nach darauf ausgerichtet ist, künftigen Generationen eine qualifizierte Zukunft zu ermöglichen und diese auch aktiv mitzugestalten. Die Kernbereiche, die für Nachhaltigkeitsentwicklungen an einer Kunstuniversität prioritär sind, lassen sich leicht identifizieren: Neben dem Wissenstransfer, d.h. der Mitgestaltung gesellschaftlicher Diskurse, gibt es vor allem im Bereich der Mobilität und im ressourcenschonenden Facility Managements die klarsten Entwicklungsmöglichkeiten.
In diesem Sinne ist Impact of Arts, die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsagenden in und durch die Kunst, für die Akademie der bildenden Künste Wien zentral. Ambitionierte Klimapolitik spiegelt sich auch in der Mobilitätsrichtlinie des Hauses wider. In ihnen werden Forderungen zur Reduktion des Flugverkehrs der Scientists for Future aufgenommen und auf vielfältige Weisen in Konzepte klimafreundlicher Mobilität einbettet. In Zusammenarbeit mit der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) erörtern wir für alle Standorte Lösungen klimaschonender Energiegewinnung (Photovoltaik und Formen besserer Isolierung) und optimieren Entsorgungsprozesse und Energetik wo immer möglich. Wir bemühen uns um die kontinuierliche Reduktion von Einwegmaterial und um die sukzessive Begrünung unserer Gebäude und Außenflächen und erarbeiten Projekte für eine zunehmend nachhaltigere Mensa.
Neben der Generationengerechtigkeit, die sich mit den existenziellen Fragen des Klimaschutzes (SDG 13) und der Energiepolitik (SDG 7) verbinden, spielt die Frage der Bildungsgerechtigkeit und der Geschlechtergerechtigkeit für das Nachhaltigkeitsverständnis der Akademie der bildenden Künste Wien eine entscheidende Rolle (SDG 4, 5, 10). Sie ist als Non-Binary University eine Pionierin im Bereich der Gendergerechtigkeit und ist als Teilnehmerin von Uninetz II kontinuierlich dabei Maßnahmen für die universitäre und gesellschaftliche Transformation zu setzen, um die Bildungsinklusion zu verbessern.
Fragen der Nachhaltigkeit, an allererster Stelle des Klimas, sind auch gesellschaftspolitische Fragen, die den Handlungsrahmen einer Kunstakademie überschreitet. Um den Frieden und den Hunger in der Welt zu adressieren (SDG 2, 16), bedarf es größerer gesellschaftspolitischer Perspektiven. Die kritische Aufarbeitung des kolonialen Erbes, auf dessen Grundlage der Überkonsum des Westens basiert und der weiterhin eine wesentliche Quelle für Armut und geopolitische Konflikte bleibt. Diese Aspekte sind zentral in der Nachhaltigkeitspolitik an der Akademie der bildenden Künste Wien, die sich in einem stärker lokalen Sinn um vertraglich stabile und transparente Anstellungsverhältnisse sowie eine inklusive und dialogische Betriebskultur (im Sinne von SDG 2 und 8) bemüht und sie als Teile ihres Selbstverständnisses betrachtet.
Kunstakademien sind Orte, an denen es ums Ganze geht. Es geht um die Frage, wie ein gutes Leben möglich und welcher Umgang mit der Einrichtung der Welt dazu notwendig ist. Wir wollen materialbewusst und ressourcenschonend dazu beitragen, die Zukunft nachhaltig lebbar zu gestalten.