Die Akademie trauert um Silke Otto-Knapp (1970-2022)
Die Künstlerin und ehemalige Akademie-Professorin für gegenständliche Malerei, Silke Otto-Knapp, ist nach langer schwerer Krankheit im Alter von 52 Jahren in Los Angeles verstorben.
Geboren 1970 in Osnabrück, absolvierte sie ein Studium der Kulturwissenschaften an der Universität Hildesheim und erwarb einen Master of Fine Arts am Londoner Chelsea College of Art and Design. Otto-Knapp, die mit ihrer ungewöhnlichen Technik, große, rätselhafte Landschaften oder Figuren in Bewegung mit übereinander geschichteten Aquarellfarben auf Leinwand zu malen, während ihrer mehr als zwei Jahrzehnte währenden Karriere internationales Aufsehen erregte, gehörte jener Generation von Künstlerinnen an, für die eine diskursive Auseinandersetzung mit der eigenen wie mit einer erweiterten Kunstproduktion selbstverständlich geworden war. In ihren Anfängen, 2001-2005 hat sie neben ihrer künstlerischen Produktion an der Mitherausgabe der englischen Zeitschrift Afterall, journal of Art , context and enquiry mitgearbeitet, und damit markante Schwerpunkte in der Diskussion wesentlicher Tendenzen der Gegenwartskunst gesetzt.
Otto-Knapps Arbeiten wurden international ausgestellt, unter anderem in Galerien und Museen in Berlin, Tokio, Kopenhagen, London, Wien und Rom sowie in Los Angeles. Ihre Arbeiten befinden sich in den Sammlungen des Museum of Modern Art in New York, des Art Institute of Chicago, der Tate Modern und anderen.
Von 2012 bis 2014 war sie an der Akademie der bildenden Künste Wien Professorin für gegenständliche Malerei. Seit 2015 war sie außerordentliche Professorin für Malerei und Zeichnung an der UCLA.
Unsere aufrichtige Anteilnahme gilt ihrer Familie, Freunden und allen, die an der Akademie mit ihr in enger Verbindung standen.
Im Namen aller Akademie-Angehörigen
Johan Hartle – Ingeborg Erhart – Werner Skvara
Kondolenzbuch
Die kurze Zeit, die wir miteinander verbracht haben, war sehr, sehr schön – mit Bestürzung habe ich von seinem Tod vernommen, viel zu früh.
Meine Anteilnahme gilt seiner Familie.
Babsi
Silke Otto-Knapps viel zu früher Tod bestürzt uns sehr. Es ist eine liebe Freundin und außerordentliche Künstlerin von uns gegangen.
Silke war eine wunderbare Kollegin, die stets am Austausch innerhalb der Akademie und der Fachbereiche beteiligt war. Von ihren Studierenden und Kolleg_innen verehrt, war sie durchwegs Impulsgeberin, sowohl innerhalb der Akademie, als auch im kulturellen Leben Wiens. Diese Fähigkeit sich zu vernetzen, teilte sie produktiv mit ihren Studierenden und gab dem Fachbereich eine neue Sichtbarkeit.
Ihr Doppel Nachname Otto-Knapp führte bei offiziellen Einladungen häufiger zu der Annahme, dass es sich um Silke und Otto Knapp handeln würde. Silke hatte dieses Missverständnis öfters genutzt, um uns als ihre genderfluide Begleitung Otto zu diversen gesellschaftlichen Ereignissen mitzunehmen. Diese Anekdote beschreibt gut, wie Silke mit Konventionen und Hierarchien umging: formvollendet und dennoch spielerisch respektlos, ohne sich leicht vereinnahmen zu lassen.
Sie folgte einem Kunstbegriff, der zwar an Expression (in ihren Sujets), aber nicht an Expressivität und großen malerischen Gesten interessiert, und der im Gefüge des IBK eine wichtige Erweiterung war.
Viele ihrer Malereien zeigen auf Silhouetten reduzierte Figuren aus der Welt der Bühne und des Tanzes, z. B. angeregt vom Ballet Russes oder den Performances Yvonne Rainers. Sie war ein großer Fan der Michael Clark Company, deren Inszenierungen sie selten verpasst hat – an einigen Choreografien nahm sie auch selbst teil.
Neben dem Tanz beschäftigte sie sich auch intensiv mit den Darstellungen alltäglicher Bewegungsabläufe, die sie wie Studien in mehreren Farbschichten (oft mit Aquarellfarben) und kontrollierten Verwischungen auf die Leinwand übertrug. Ihre Arbeit war stets präzise und ephemer zugleich.
Anfangs eher in kleineren Formaten arbeitend, malte sie auch in Großformaten, die durchaus raumgreifend waren. Häufig handelte es sich um sequenzartige Aneinanderreihungen oder freistehende Paravents.
Silke hatte vor einigen Jahren gemeinsam mit Freund_innen ein Haus auf Fogo Island in Neufundland gekauft, das sie seit einer Residency begeisterte. Sie hatte sich in die strenge Landschaft und Einsamkeit verliebt und dort intensiv gearbeitet, was auch ihren zahlreichen Landschaftsbildern anzusehen ist.
Wir hätten sie gerne länger als Kollegin an der Akademie behalten, aber 2015 folgte sie ihrer Berufung als außerordentliche Professorin für Malerei und Zeichnung an der UCLA. Natürlich ließen wir sie schweren Herzens nach Kalifornien gehen. Sie liebte es dort zu arbeiten und zu unterrichten.
Leider wurde diese Zeit immer wieder von ihrer schweren Krebserkrankung überschattet. Und obwohl sie selbst schon schwer krank war, hatte sie immer anderen Mut zugesprochen, die in einer ähnlich schwierigen Situation waren.
Silke war unglaublich klug und hatte einen ziemlich scharfen Humor. Sie war präzise in ihrem Tun und Denken und wir haben immer sehr viel von ihr gelernt.
Wir werden sie unendlich vermissen!
Julian Göthe und Dorit Margreiter im Namen des IBK
Für Silke Otto-Knapp
Wenn ich an Silke denke, dann immer zuerst an ihren schlagfertigen Witz und ihr mitreißendes Lachen. Bei aller Ernsthaftigkeit, mit der sie ihre Malerei vorantrieb, zeichnete ihre Haltung stets humorvoll-distanzierte Involviertheit in den Kunstbetrieb aus, dessen Logiken sie genau studierte.
Mit Silke über Kunst – ob ihre oder jene von Kolleg_innen zu sprechen – war immer eine große Freude. Ich habe soviel von ihrer stets sehr präzisen Betrachtungs- und Artikulationsweise gelernt. Begegnet bin ich ihr und ihrer Arbeit erstmals durch die von Eva-Maria Stadler 2006 in der Aula der Akademie der Bildenden Künste kuratierte Ausstellung „Love in a Void", die Silkes luzide Tänzer_innen mit Jutta Koethers opaken Figurenporträts kombinierte.
Als Silke sechs Jahre später an die Akademie berufen wurde, fanden wir bald heraus, dass uns beide 'learning exercizes' respektive Probenverfahren als reflexive Darstellungsform interessiert. Diese manifestiert sich in Silkes zumeist auf Wasserfarben basierender Malerei, welche ihr sichtbares Durcharbeiten und Variieren durch wiederholte Prozeduren des Farbauftrags und -wiederabwaschens erlaubte. Die geteilte Vorliebe für die Wechselwirkungen zwischen bildenden und performativen Künsten, dabei besonders zwischen Malerei, Fotografie, Film und Ballett, führte zu einer längerfristigen Zusammenarbeit im Rahmen eines von Constanze Ruhm und mir um 2012 begonnenen Forschungs- und Veranstaltungsprojekts unter dem Titel Putting Rehearsals to the Test.
2016 zeigten wir in Zusammenarbeit mit Ilse Lafer im Rahmen einer an drei Orten in Montréal kuratierten gleichnamigen Ausstellung eine Serie kleinformatiger, Monday or Tuesday (2014) getitelter Landschaften, die auf Fogo Island, ihrem Lieblingsort, entstanden waren: Die Methodik der Probe zeigte sich hier als implizite Dokumentation des Malprozesses selbst. Da wir für den ausstellungsbegleitenden Reader kein ausreichendes Budget zur Verfügung hatten, stiftete Silke uns eine Serie von Monoprints mit dem Titel The Common Reader, für die sich schnell Käufer_innen fanden. Ihrer Solidarität haben wir es zu verdanken, dass unser Buch erscheinen konnte. Das Motiv geht auf eine Fotografie von der auf einem Sessel sitzenden Schriftstellerin Virginia Woolf zurück – Silke war eine versierte Leserin und Literaturkennerin. Die zeichnerische Gestaltung rekurriert zugleich auf die Bloomsbury Gruppe, deren zwischen 1913 und 1919 entstandenen Designs auch in anderen ihrer Bilder auftauchen und ihr tief gehendes Interesse an ‚weiblich‘ codierten Gestaltungsformen in den Spannungsfeldern zwischen bildenden und angewandten Künsten unterstreicht.
Silkes diaphane Darstellungen von choreografischen Körperhaltungen und -bewegungen sowie von Theater- und Naturbühnen lebten, wie ich in zahlreichen ihrer Ausstellungen in Oxford, München, Berlin, Los Angeles etc. beobachten konnte, von ihrer ausgeprägten Fähigkeit, Gemälde auf eine Weise räumlich zu arrangieren, die Blicke und Perspektiven in jene körperliche Bewegung versetzten, die Gegenstand ihrer Studien waren.
Auf wiederholten Studiogesprächen beruhende Texte über Silkes Arbeit schrieb ich unter dem Eindruck ihrer Fähigkeit, die physische Herstellung von Malerei zu vermitteln und zugleich mit kunst- und kulturhistorischen Diskursen sowie mit gesellschaftlichen Themen, vor allem der Geschlechterrepräsentation, zu verknüpfen. Diese Auseinandersetzung setzten wir als wir als Email-Konversation für einen von Sigrid Sandström herausgegebenen Band Material Matters: Painting and its Materialities (2020) fort. Das sich über Monate erstreckende Gespräch war nicht zuletzt Bestandteil und Resultat gemeinsamer Lehrveranstaltungen sowohl an der Wiener Akademie als auch in der UCLA, wo Silke seit 2015 unterrichtete. Dabei lernte ich sie als begeisterte und zugewandte Lehrende kennen, die es liebte, ihre rigorose künstlerische Auseinandersetzung und ihr profundes Wissen mit ihren Studierenden zu teilen. Deren Begeisterung und Bewunderung für Silkes Haltung war und ist immer noch zu spüren. Sie brachten und bringen Silkes Haltung jene von ihren Kolleg_innen und dem Fachpublikum geteilten Respekt entgegen, der die Rezeption ihrer Arbeit prägt und weiterhin prägen wird.
Silke, unvergessen unsere gemeinsame Zeit, die wir während meines L.A-Aufenthalts verbrachten, als ich in deinem wundervollen Haus (und Garten!) in Pasadena wohnte, wir gemeinsam Ausstellungen und Kolleg_innen besuchten, fast täglich, oftmals mit deiner Freundin May Rigler ins nahe gelegene Rose Bowl Aquatics Center schwimmen gingen und uns Mittwoch abends nach dem Unterricht im Speranza zum Spaghetti-Essen verabredeten. Schwer vorstellbar und zutiefst traurig stimmend, dass das in den Jahren deiner Krankheit eher virtuell gewordene Gespräch nun abbrechen soll.
Meine Anteilnahme gilt Silkes Schwestern und Familie, sowie ihre engsten Freund_innen, die die sie in der Zeit ihrer Krankheit unterstützt und begleitet haben.
Sabeth Buchmann