Einladung zur Defensio von Gisella Vismara

Mitglieder des Prüfungssenats sind: Univ.-Prof. Mag. Dr. Anette Baldauf (Vorsitzende), Univ.-Prof. Dr.phil. Ruth Sonderegger (1. Betreuerin), Prof. Peter Mayo, PhD (2. Betreuer) und Prof. Paolo Vittoria, PhD (externer Gutachter, Universität Neapel Federico II).

Abstract

Das Werk des brasilianischen Pädagogen Paulo Freire wird in der bildenden Kunst und im ästhetischen Bereich des Unterrichts oftmals vernachlässigt. Diese Arbeit setzt sich auf neue Weise mit Freires Gedanken auseinander, um seinen kritischen und politischen Ansatz für den Kunstunterricht fruchtbar zu machen und auf ihn zu erweitern. Sie untersucht die Umsetzung von Freires Ideen im Kontext des Kunstunterrichts an Mittelschulen in Italien und Europa. Dementsprechend lauten die zentralen Fragen: Wie kann der Freire'sche Ansatz im formalen Kunstunterricht Anwendung finden? Kann die Lehre der visuellen Künste zu einem Instrument der Emanzipation und Befreiung von verschiedenen Formen kapitalistischer Unterdrückung werden? Welche Instrumente und didaktischen Strategien können Lehrer wirksam einsetzen? Diese Dissertation zielt darauf ab, die Freire'sche Kunstkompetenz auf neue Weise zu adressieren, sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht.

Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, befasst sich die vorliegende Arbeit mit der neuen dekolonialen marxistischen Pädagogik, die Freire und seine Schlüsselkonzepte wie “Unterdrückte” und "Unterdrückerbewusstsein" neu interpretiert haben. Mittels einer interpretativen Methodik (bibliotheksgestützt) widmet sich diese Untersuchung den Thesen der kritischen Pädagogik und ihrer Anwendung auf die Kunsterziehung und die Visual Culture Studies. Diese Dissertation betrachtet die Ideen des antikapitalistischen Kampfes und des dekolonialen Ansatzes als wesentlich für die Neuerfindung der pädagogischen Praxis von Freire in formalen Bildungskontexten. Anhand der Freire'schen Fallstudie von Ana Mae Barbosa zeigt die vorliegende Arbeit die Anwendungen ihrer Ergebnisse im Bereich der Bildung, insbesondere im Rahmen der bildenden Kunst sowie in Bezug auf das transformative Modell des kulturellen Wandels.

Darüber hinaus beschreibt und analysiert diese Arbeit mittels ethnografischer und interpretativer Methoden meine früheren persönlichen Erfahrungen im Kunstunterricht an einer öffentlichen italienischen Mittelschule. Sie erfindet Freires didaktische Instrumente und Strategien für den Unterricht der bildenden Künste in formalen Bildungskontexten neu und zeigt auf, wie sie angewendet werden können. In dieser Dissertation wird ein dreistufiger Unterrichtsprozess des Kodierens, Dekodierens und Problematisierens vorgestellt, um Lehrende bei der theoretischen Planung und praktischen Gestaltung des Kunstunterrichts sowie von Workshops für Schüler*innen zu unterstützen. Die vorgeschlagenen Aktivitäten konzentrieren sich auf das Thema des weiblichen Körpers, insbesondere in der zeitgenössischen visuellen Kultur (XX-XXI Jahrhundert). Es wird aufgezeigt, wie Pädagog*innen einen kritischen Unterricht umsetzen und Schüler*innen darin unterstützen können, sich von verschiedenen Formen der Unterdrückung (Klasse, Rasse und Geschlecht) zu emanzipieren.

Kurzbiographie

Gisella Vismara wurde in Italien geboren (1977). Sie erwarb ihren B.A. in Kunst, Musik und Theater (DAMS) und spezialisierte sich auf Bildnerische Erziehung an der Universität von Bologna. Von 2006 bis 2020 war sie Dozentin für Museumsdidaktik an der Akademie der bildenden Künste von Brera (Mailand) und unterrichtete Kunsterziehung an einer Mittelschule (Bologna). Seit 2003 arbeitet sie mit der Lucio Saffaro Art Foundation (Bologna) zusammen. Sie ist Mitautorin zahlreicher Bücher und Artikel über zeitgenössische Kunst, kritische Pädagogik und Kunsterziehung. Sie hat mehrere Aufsätze über Paulo Freire veröffentlicht, darunter "Criticisms" of the pedagogy of the oppressed und Newness and Relevance of Paulo Freire for Postcolonial Approach (2021). Sie beschäftigt sich mit kritischer Pädagogik und visueller Kunstkompetenz.

Die Defensio wird in englischer Sprache und in Raum M20 stattfinden.

Wir freuen uns sehr, Sie bei der Defensio begrüßen zu dürfen.