Einladung zur Defensio von Michael Klein
Das Institut für Kunst und Kulturwissenschaften der Akademie der bildenden Künste lädt herzlich zur Defensio von Michael Kleins Dissertation Die Neuaufteilung des Wohnens. Raum, Subjekt und Regierung am Beginn des sozialen Wohnungsbaus in Wien – mit Rancière und Foucault das Rote Wien lesen ein.
Mitglieder des Prüfungssenats sind: Mag. Dr. Moira Hille (Vorsitzende), Univ.-Prof. Dr.phil. Ruth Sonderegger (1. Betreuerin) und Prof. Renée Tribble (externe Gutachterin, TU Dortmund).
Abstract
Das Rote Wien gilt als Inbegriff einer politischen Architektur: Die Interventionen in einen weitgehend ungeregelten Wohnungsmarkt, die Neuordnung des Wohnungswesens und ein umfangreiches Wohnungsbauprogramm durch die sozialdemokratische Verwaltung 1919-34 markieren den Versuch einer neuen Aufteilung des Wohnens, der bis heute einen wiederkehrenden Bezugspunkt in der Wohnungsfrage bildet. Architektur und Planung werden im Roten Wien nicht nur zum Mittel, um dem Mangel entgegenzuwirken, sondern zu Instrumenten eines sozialistischen Aufbauprojekts, in dessen Zentrum Kollektivierung und die Herausbildung eines Neuen Menschen stehen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit das sozialdemokratische Wohnungswesen Politik im emanzipatorischen Sinn darstellt, oder ob es nicht vielmehr als Teil einer gouvernementalen Rationalität zu verstehen ist und damit nach einer historischen Neuperspektivierung verlangt.
Dafür versucht die Arbeit, Jacques Rancières politische Ästhetik für eine historische Auseinandersetzung mit dem Wohnen zu erschließen und – ausgehend von dessen Aufteilung des Sinnlichen – Theorie und Praxis der sozialdemokratischen Verwaltung anhand von drei Fragen zu analysieren: Die Frage nach dem Subjekt des Gemeindebaus, die Frage nach seinen Räumen und ihrer Aufteilung, sowie die Frage nach der prozessualen und geschichtlichen Offenheit, nach einer Teilhabe, die sich mit dem Wohnungsbau stellt. Zugleich nimmt sich die Arbeit vor, Rancières Theorie dahingehend zu diskutieren, inwiefern sie „anwendbar“ und geeignet ist, um Geschichte nicht nur anhand des momenthaften Ereignisses, das Politik für Rancière darstellt, zu lesen, sondern auch entlang von Prozessen der Ordnung, Planung und Institutionen, die er insgesamt als Polizei bezeichnet. Um das überzeugend bewerkstelligen zu können, schlage ich vor, Foucaults Dispositive – ein weiteres ästhetisches Konzept – heranzuziehen, den Fokus Rancières aber beizubehalten.
Die sozialdemokratische Neuaufteilung des Wohnens erscheint aus dieser Perspektive als eine vorrangig polizeiliche Neuordnung und Verbesserung der Lebensverhältnisse. Einschreibungen des Politischen finden sich darin vor allem an den Rändern des Wohnungswesens, etwa in den Diskursen um die Neuorganisation des Haushalts, die Zentralisierung und Sozialisierung von Hausarbeit, die im Roten Wien nur ansatzweise und modellhaft Umsetzung finden.
Kurzbiographie
Michael Klein arbeitet an den Schnittstellen zwischen Architektur, Kunst, Urbanismus und Theorie, derzeit am Forschungsbereich Wohnbau und Entwerfen der TU Wien. Studium der Architektur an der TU Wien, der École Spéciale d'Architecture Paris und an der Akademie der bildenden Künste Wien (Diplom 2007). Er ist Redaktionsmitglied von dérive – Zeitschrift für Stadtforschung und Vorstandsmitglied der ÖGFA (Österreichische Gesellschaft für Architektur). Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen in den Bereichen Wohnen und Alltagsleben und im Verhältnis von Architektur, politischer Theorie, Stadt und Geschichte. Er ist Co-Autor und Mitherausgeber der Bücher The Design of Scarcity (Strelka Press, 2014 und Adocs 2017), Modelling Vienna, Real Fictions in Social Housing (Turia + Kant, 2015) und Building Critique, Architecture and its Discontents (Spector Books 2020); gemeinsam mit Sasha Pirker realisierte er den Film 60 Elephants zum Denken Yona Friedmans.
Die Defensio wird in deutscher Sprache in Raum 209 stattfinden.
Wir freuen uns sehr Sie bei der Defensio begrüßen zu dürfen.