Harte Zeiten?! Harte Zeilen!
Nina Geschl, Dissertantin von Univ.-Prof. Dr. Elisabeth von Samsonow am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften
Die Welt steht Kopf. Ein Virus, der die gesamte Menschheit als Pandemie heimsucht, besser kann es Hollywood oder David Lynch gar nicht schreiben. Der Times Square in New York City ist menschenleer. Aktien rasen in den Keller. Grenzen werden dicht gemacht. Der Flugverkehr ist so ziemlich lahm gelegt. Soziale Distanz und sogar Ausgangssperren wurden eingeführt und in manchen Staaten darf man mit hohen Strafen rechnen, wenn man sich nicht daran hält. Desinfektionsmittel, Mundschutzmasken, Klopapier werden zur heiß begehrten Ware. Das Leben, so wie man es vorher kannte, existiert nicht mehr. Die von Menschen gemachte Welt steht still. Was für die Menschheit vielleicht ein großer Einschnitt ist, ist für Mutter Natur ein Aufatmen.
In Venedig im Kanal gibt es auf einmal wieder glasklares Wasser, sogar Delfine kamen zurück. In China steht die Wirtschaft still, dafür waren die Werte der Luft noch nie so gut wie jetzt. Die Menschen befinden sich in ihrem Zuhause in Quarantäne und Wildtiere trauen sich sogar in kleine Vorstädte. Als ich das in den Nachrichten lesen durfte, hatte ich Tränen in den Augen, weil mir bewusst wurde, wie stark der Mensch sich alles zu eigen macht und nicht im Einklang mit der Natur bzw. der Erde lebt.
Auch wenn man am Anfang von einem Grippe ähnlichen Zustand ausgegangen ist und daher viele COVID-19 zu Beginn nicht so ernst nahmen, sickerte doch mit der Zeit immer mehr durch, wie z.B., dass ein chinesischer Arzt, der dann selbst mit 34 daran erkrankte und sterben musste, die Regierung in China schon 2019 vor dem gefährlichen Virus gewarnt hatte. Auch konnte man durch die Medien schön verfolgen, warum der Virus vor allem in Italien sich so stark verbreitete. Dort gibt es Sklavenlager mit Chines*innen, die nach dem chinesischen Neujahr, welche viele in der Heimat verbrachten, wieder zurück kamen, um in unmenschlichen Bedingungen rund um die Uhr für die renommierte Modehäuser zu arbeiten.
Der Virus kennt also keinen Halt, vor allem Risikogruppen mit Vorerkrankungen und alte Menschen sind von ihm besonders betroffen. Junge Menschen mit einem guten Immunsystem merken oft gar nicht, dass sie den Virus in sich tragen. Die (Atemwegs-)Krankheit nimmt einen unterschiedlichen Verlauf, der sogar bis zum Tode führen kann. In Italien musste man sich im Krankenhaus entscheiden, um wen können wir uns noch kümmern, wenn lassen wir sterben, weil einfach zu wenig Kapazität da war. Jene, bei denen klar war, dass sie sterben, durften ihre Familienmitglieder nicht mehr sehen. Das Militär holte die toten Körper mit Panzer ab, die dann verbrannt wurden und die Familienmitglieder bekamen eine Nummer, wo sie die Asche ihrer Verstorben abholen können.
119.686 Todesfälle weltweit. Die Welt war für so eine Pandemie nicht vorbereitet. Bis heute gibt es noch keinen Impfstoff, auch wenn viele Staaten Geld in die Forschung gesteckt haben. Vor allem die USA trifft es hart, weil dort der kapitalistische Neoliberalismus anstatt einem Sozialstaat, der in Zeiten von Corona mehr als Gold für die Menschen wert ist, herrscht. Es gibt keine staatliche Krankenversicherung, viel zu wenig Betten und Lungenmaschinen in den Krankenhäusern. Die Menschen dort haben zurecht Angst vor Corona. Auch wenn Trump die Situation zuerst runter gespielt hat und viele katholische Prediger in den USA auch noch aufgerufen haben, sich in den Kirchen zu treffen, um den Virus, der laut ihnen von Satan kommt, weg zu beten. Ähnliches Problem hat auch Israel mit den Ultraorthodoxen, die weiterhin in die Synagoge gehen (wollen/wollten).
Die Maßnahmen, die in Österreich, das Nachbarland von Italien, von Kurz getroffen wurden, waren ein Leitbild für die EU, auch für Merkel in Deutschland. Innerhalb kürzester Zeit stand in Österreich fest, die Kindergärten, Schulen, Bars, Clubs, Cafés, Einkaufszentren etc. müssen schließen. Niemand darf mehr ein oder ausreisen, außer man ist Staatsbürger*in. Offen dürfen nur Supermärkte, Banken, Apotheken, Krankenhäuser, Arzt*Ärztinnenpraxen, Drogeriemärkte haben, [ Branchen, wo wohl gemerkt mehr Frauen beschäftig sind als Männer. Für viele Selbständige war das am Anfang eine katastrophale Meldung. Aber auch hier hieß es von Kurz, es wird Gelder geben. Kurz durfte europaweit für sein Handeln glänzen, aber zu viel Eigenlob stinkt, schließlich geht es hier um eine Pandemie und nicht um einen Wettbewerb, wer als Erste*r ihren*seinen Entwurf einreicht. Dennoch weicht Kurz nicht komplett von einem demokratischen Pfad ab, im Gegensatz zu Trump, Orban und Netanyahu, denen es lieber wäre, sie würden während des Corona-Ausnahmezustandes allein bzw. in einer Diktatur regiert.
Diese Zeiten bringen viele Gesichter hervor. Es gibt jene, die seit dem Auftreten von Corona hamstern, was das Zeug hält und andere, die sich in Verschwörungstheorien verzetteln und jene, die alles blind glauben, was die Regierung ihnen erzählt. Die Presse hat auch nur die Informationen über Corona, die die Regierung ihr gibt. Viel Zeit für eigene Recherche vieler Journalist*innen bleibt hier nicht, weshalb natürlich auch der Ruf nach einer beschränkten Meinungsfreiheit größer wird. Die Flüchtlinge auf Lesbos geraten zunehmend in Vergessenheit.
Die Quarantäne-Zeit schlägt sich momentan auch auf das Gemüt vieler Menschen, die es satt haben zuhause zu sitzen, vor allem in Österreich, wo die Polizei sofort hinter einem steht, wenn man das Haus verlässt, und einen fragt, was man da tut. Auch stieg die häusliche Gewalt (vor allem gegen Frauen) drastisch an.
Zuhause in Quarantäne zu sein bedeutet wiederum für manche endlich das Buch zu lesen, das man eh schon so lange lesen wollte, die Filme und Serien zu schauen, die auf der Wunschliste stehen oder endlich jeden Tag Sport zu machen, wo davor weniger Zeit war. Es gibt jene, die nun viel Zeit haben, vor allem die Selbständigen, die kein Online-Business führen, und die ihr Geschäft zusperren haben müssen und jene, die aufgrund des HomeOffices und der Tatsache, dass alles nun online läuft, gar keine Zeit mehr haben, weil sie von Videocalls, Online-Meetings und E-Mails bombardiert werden. Auch jene, die in Supermärkten, Drogeriemärkten, Banken, Apotheken, Krankenhäusern oder ärztlichen Praxen arbeiten, sind in dieser Zeit sehr gefordert. Eine Krankenschwester aus Österreich hat ihrer Wut freien Lauf gelassen und einen Appell veröffentlich, dass das Lob der anderen ihr letztendlich nichts bringt, wenn sie sowieso nicht mehr verdient, momentan aber alles und mehr im Job geben muss und noch dazu auch permanent mit Corona-Infizierten zusammen ist. Viele Lehrer*innen und Schüler*innen verzweifeln am Online-Unterricht, weil sie nun mehr tun müssen als vorher. Die Eltern, die zuhause HomeOffice machen sollten und gleichzeitig auf ihre Kinder schauen müssen, pfeifen auch aus allen Löchern. Der Kontakt zu den Großeltern, die aufgrund des Alters schon in die Risikogruppe fallen, sollte ja auch vermieden werden, daher fallen die auch weg, wenn es ums Kinderschauen geht. Diese Pandemie fordert außergewöhnliche Zeiten von jedem einzelnen Menschen. Das ist klar.
Und Not macht bekanntlich erfinderisch. Auf einmal blüht die Gesellschaft in Solidarität auf. Junge Menschen, die nicht in die Risikogruppe fallen, bieten älteren Leuten Hilfe an, dass sie die Einkäufe für sie übernehmen. Opernhäuser sind zwar geschlossen, spielen ihr Programm dafür online und umsonst. DJs und DJanes schmeißen virtuell ihre Parties. Museen auf der ganzen weiten Welt bieten virtuelle Besuche an. Zahlreiche Fitness-Angebot sprießen im Internet aus dem Boden. Enkelkinder nehmen Podcasts für ihre Großeltern auf. Videotelefonieren wird der neue Hit oder man trifft sich online bei Zoom.
Der Ruf nach einem bedingungslos Grundeinkommen ist neu entfacht und meiner Meinung nach berechtigt, weil wenn es nun schon Milliarden und abermals Milliarden, genannt ‚Härte-Fonds‘, gibt, wieso dann kein bedingungsloses Grundeinkommen. So wie es ein Kindergeld gibt, sollte es von einem Sozialstaat auch ein ‚Erwachsenengeld‘ geben.
Es ist sehr viel passiert weltweit. Auch vor der Pandemie. Man denken zurück an die globalen Waldbrände. Die so viele Tierleben gekostet bzw. die Natur zerstört haben, verursacht durch den Menschen, weil er so neoliberalisiert ist, dass er glaubt, es geht immer mehr und mehr und mehr mit der Überzeugung, dass er an der Spitze der Evolution steht. Ich hoffe, dass diese Ansicht nach Corona bei vielen ausradiert ist.
Woher kam COVID-19 eigentlich? Der Virus stammt angeblich von den Fledermäusen, denen wiederum der Virus nichts ausmacht. Der Mensch jedoch, der das Fleisch einer Fledermaus isst, was in China bei Wildtiermärkten leider Gang und Gebe ist, erkrankt daran. Nun gibt es viele Esoteriker*innen, die behaupten, das Universum schlägt zurück und es braucht nun viel Lichtarbeit oder einen Zahlencode. Das kann die Wissenschaft nicht belegen, aber die Tatsache, dass der Virus der Fledermaus oder anderen Tieren nichts macht, deshalb sollten Menschen aufhören ihre Haustiere in überfüllte Tierheime abzuliefern, weil bislang keine Übertragung nachgewiesen ist, und dem Menschen schon, das ist in der Tat ein Fakt.
Fleischkonsum fördert Epidemien, das weiß die Wissenschaft schon längst. Vor COVID-19 gab es schließlich auch schon Vogel- und Schweinegrippe, Rinderwahnsinn und Ebola. Um künftige Epidemien zu verhindern, muss, laut eineigen Wissenschaftler*innen, über die Lebensweise der Menschheit nachgedacht werden. Durch den steigenden Fleischkonsum bzw. die steigende Zahl der Tiere in Massentierhaltung und Tierzucht, die auf möglichst leistungsstarke Tiere, anstatt auf genetische Vielfalt abzielt, werden Epidemien begünstigt.
Es hat schon einen Anschein eines Wake-Up-Calls von Mutter Erde, denn auch wenn jetzt so viele Menschen wegen Corona sterben haben müssen oder auch noch sterben werden, was sehr traurig ist, was tut denn die Menschheit der Erde, der Natur, der Tierwelt täglich an? Ist sie nicht auch ein Virus, eine Pandemie für die Welt? Auf Facebook werden bereits Fotos geteilt, wo man am Strand Mundschutzmasken oder Handschuhe am Boden liegen sieht, aber auch in mancher Stadt findet man diese raren Luxusprodukte nicht nur im Gesicht und an den Händen. Sie ‚zieren‘ auch dort die Straßen und Parks.
Während der Corona-Krise wurden trotzdem zahlreiche Nutztiere quer über Europa transportiert.
Das kann doch nicht sein. Ich schließe mich den Worten von Umweltaktivistin Jane Goodall an, die sagt, dass die Respektlosigkeit der Menschen gegenüber der Natur die Pandemie verursacht hat. Ob man an Karma glaubt oder nicht, ich bin von dem Sprichwort: ‚So wie man in den Wald hineinruft, so kommt es zurück‘ überzeugt. Die Menschheit lehnt sich schon zu lange, zu weit aus dem Fenster und die Natur hat Mittel und Wege, z.B. über Epidemien, gefunden ihre Parasiten, die Menschen, zu bekämpfen. Wenn die Menschheit nicht lernt, wieder mit der Natur im Einklang zu leben, dann wird COVID-19 erst der Anfang gewesen sein.
Die Corona-Krise kann man auch als Chance sehen, die Welt neu zu überdenken. Das ist jetzt die Aufgabe von uns, von jedem einzelnen Menschen; aber auch vor allem von Künstler*innen, Lehrer*innen und Wissenschaftler*innen. Es braucht neue Modelle, neue Konzept, ein neues Bewusstsein. Hierzu, wie wir in Zukunft leben wollen und zwar im Einklang mit der Natur, hat das Futurium in Berlin eine großartige Ausstellung. Es geht nicht darum die Welt tot zu konsumieren, tot zu wirtschaften, die Erde auszubeuten und zu verschmutzen. Die Menschheit, die sich meiner Meinung nach auch nicht zu Tode arbeiten soll, weshalb ich die eingeführte Kurzarbeit, eine Maßnahme zur Eindämmung von Corona, für gutheiße (Vollzeit sollte 30h/Woche sein), ist schon so gefangen in dem neoliberalistischen System, dass sie sich ein Leben ohne Arbeit, die Geld bringt, schwer vorstellen kann. Dank Marx wissen wir aber, dass sich der Kapitalismus irgendwann selbst auffrisst, weil es geht nicht immer nur mehr und mehr. Die Erde wird nicht doppelt so groß, sie ist so, wie sie ist. Das ist zu akzeptieren und der Klimawandel ist echt und wir Menschen sind verantwortlich dafür. Face it und werde Klimaaktivist*in, weil jede*r kann etwas tun!
Ich wünsche mir, dass nun mehrere Menschen aufgewacht sind. Es kann so nicht weitergehen. Auch wenn über Utopien immer gewitzelt wird, es sind Utopien, die werden niemals Realität. Wer hätte sich früher gedacht, dass man Strom aus Wasserkraft erzeugen kann und es geht. Es ist nicht nur an der Zeit Utopien zu leben, es ist höchste Eisenbahn. Man sollte vielleicht mehr in Regionen denken, wie z.B. das Projekt ‚United Regions of Europe‘, welches auf European Urbanism setzt. Die Welt stand schon vor COVID-19 auf dem Kopf. Wenn der Hase ein erweitertes Organ des Menschen ist, so Beuys, ist Tierquälerei oder das große Insektensterben eine Naturquälerei und letztendlich auch eine Qual für den Menschen, daher komme ich zu dem Schluss bzw. Donna Harawys Aussage: ‚Make kin not babies‘ und lasst uns einen Neuanfang à la ‚Make earth great again‘ wagen, damit alle Lebewesen dieser Erde eine gemeinsame Zukunft haben.
Alle Fußnoten, Quellen und Literaturverweise finden sich im Orginaltext. Siehe PDF