Afrikanische Kunstgeschichten
Vortragsreihe am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der Akademie der bildenden Künste Wien.
Konzipiert von Christian Kravagna, Professur für Postcolonial Studies,
in Kooperation mit dem Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin.
Mi, 14. Mai 2008, 18 Uhr, Raum M13
Robert Farris Thompson (New Haven)
Stacatto Incandescence: The Shared Aesthetic Organizing Principles of Afro-Atlantic Music, Dance & Art
Robert Farris Thompson arbeitet seit fünfzig Jahren zur Kulturgeschichte der afro-atlantischenWelt und zählt zu den absoluten Experten auf dem Gebiet der mit demSklavenhandel verbundenen transatlantischen Übersetzung von Kulten,Tanzformen, Musiken und bildnerischen Ausdrucksformen. Er ist heuteProfessor für African and Afro-American art history an der YaleUniversity. Unter seinen Publikationen sind Klassiker wie African Artin Motion (1974) und Flash of the Spirit: African and Afro-American Artand Philosophy (1983). Jüngere Publikationen umfassen Face of the Gods:Altars and Arts of Africa and the African Americas (1993) sowie Tango:The Art History of Love (2005).
Mo, 19. Mai 2008, 18 Uhr, Raum M20
Yacouba Konaté (Abidjan)
Christian Lattier: Reinventing African Sculpture
Yacouba Konaté war 2006 Generalkommissär der Dak’Art – Biennale de l’art africaincontemporain in Dakar. Er ist Professor für Philosophie an derUniversity of Abidjan-Cocody, Côte d’Ivoire. Yacouba Konaté hatzahlreiche Ausstellungen (co-) kuratiert, u. a. South meets West inAccra und Bern 1999/2000. Zu seinen Büchern zählen Alpha Blondy: Reggaeet société en Afrique noire, 1987 und Christian Lattier: Le sculpteuraux mains nues, 1993. Er arbeitet derzeit an einem Buch über denivorischen Künstler Frédéric Bruly Bouabré.
Mi, 28. Mai 2008, 18 Uhr, Raum M13
Joseph Adandé (Cotonou)
Experiencing Art: The African Way
Joseph Adandé ist Professor für Kunstgeschichte an der Université d’ Abomey-Calavi inBenin und engagiert sich in der Museumspolitik seines Landes, u. a. inThe West African Museums Program und Ecole du Patrimoine Africain,Porto Novo, Benin. Er arbeitet zu traditioneller und zeitgenössischerafrikanischer Kunst und interessiert sich dabei aus postkolonialerPerspektive vor allem für die Verbindungen zwischen beiden.
Mi, 18. Juni 2008, 18 Uhr, Raum M13
Christian Kravagna (Wien)
Travelling Africa: Das Motiv der Reise in der afrikanischen Moderne
Christian Kravagna ist Kunsthistoriker, Kritiker und Kurator. Professor für PostcolonialStudies an der Akademie der bildenden Künste Wien. Herausgeber derBücher Privileg Blick. Kritik der visuellen Kultur, Berlin 1997;Agenda. Perspektiven kritischer Kunst, Wien/Bozen 2000; Das Museum alsArena. Institutionskritische Texte von KünstlerInnen, Köln 2001 undRoutes. Imaging travel and migration, Frankfurt 2007. Seit 2005 Kurator(mit Hedwig Saxenhuber) des Kunstraum Lakeside in Klagenfurt.
Mo, 23. Juni 2008, 18 Uhr, Raum M20
Chika Okeke-Agulu (University Park, PA)
The Art Society and the Making of Postcolonial Modernism in Nigeria
Chika Okeke-Agulu ist Assistant Professor of Art History an der Penn State University(PA). Er publizierte zu afrikanischer Kunst und Theorie in Magazinenwie Nka: Journal of Contemporary African Art, bei dem er auchMitherausgeber ist, und African Arts sowie in Katalogen undSammelbänden wie Seven Stories about Modern Art in Africa (1995), TheShort Century: Independence and Liberation Movements in Africa1945-1994 (2001) und Reading the Contemporary: African Art from Theoryto the Marketplace (1999). Derzeit arbeitet er mit Okwui Enwezor an demBuch Contemporary African Art Since 1980.
Aus westlicher Perspektive hatte afrikanische Kunst noch bis ins späte 20. Jahrhundert ihren Ort vor allem in den ethnologischen Sammlungen bzw. in den Diskursen um den „Primitivismus“ einer europäischen Moderne, die sich an Afrika so ausführlich bedient hatte. Ausgelöst von intensiven Debatten um Projekte wie „Magiciens de la Terre“ (1989), deren Anspruch auf Zeitgenossenschaft der afrikanischen Kunst sich zugleich Vorwürfen ihrer Kulturalisierung und Exotisierung ausgesetzt sah, hat die Aufmerksamkeit für afrikanische Gegenwartskunst seit den 1990er Jahren stark zugenommen. Afrikanische Biennalen wie die von Johannesburg, Dakar und Bamako haben dazu ebenso beigetragen wie die documenta 11 und Großausstellungen in Europa und den USA, aber auch zahlreiche Publikationen afrikanischer AutorInnen, die dem Reden und Schreiben über afrikanische Kunst binnen weniger Jahre eine postkolonial politisierte Wendung gaben, die nicht mehr zu hintergehen ist.
Im Verhältnis zur relativen Anerkennung der afrikanischen Gegenwartskunst immer noch stark unterbelichtet ist die Geschichte der afrikanischen Moderne, ihrer Ursprünge und ihrer Entfaltung im Prozess der Dekolonisation Afrikas sowie ihrer Beziehungen zur „traditionellen“ afrikanischen Kunst und den Modernen anderer Kontinente. Diese Desiderate wird auch eine bescheiden dimensionierte Vortragsreihe wie die unsere nicht beheben. Was sie anstrebt, ist eine punktuelle Betrachtung exemplarischer Probleme, historischer Momente und signifikanter Motive der afrikanischen Moderne in ihren transkulturellen Bezügen zu Europa und den Amerikas. Dabei wird (Konaté) eine Künstlerpersönlichkeit wie Christian Lattier, der zwischen den 1950er und 1970er Jahren eine einzigartige Fusion afrikanischer Masken mit ihrer modernistischen Interpretation in der europäischen Moderne erarbeitet hat, ebenso zum Gegenstand der Auseinandersetzung wie (Okeke-Agulu) – mit der Zaria Art Society in Nigeria – eine künstlerische Bewegung, die sich um 1960 aus einem Spannungsverhältnis von kultureller Fremdbestimmung und Identitätssuche formiert. Den gattungsübergreifenden afro-atlantischen kulturellen Übersetzungen mit ihrer auf den Sklavenhandel zurück gehenden Geschichte (Thompson) wird eine transdisziplinäre Betrachtung der afrikanisch-europäischen Reiserouten (Kravagna) zur Zeit der Dekolonisation Afrikas zur Seite gestellt. Und schließlich wird (Adandé) die grundsätzliche Frage nach den Eigenarten der ästhetischen Erfahrung in afrikanischen Kontexten adressiert.