H13 Niederösterreich Preis für Performance | Barbis Ruder: Wertschöpfungskette
Neben der Künstlerin, Performerin und Lehrbeauftragten an der Akademie der bildenden Künste Wien, Anat Stainberg, waren Stella Rollig, Direktorin des Lentos Kunstmuseum in Linz, sowie Christiane Krejs und Nina Kohlbauer vom Kunstraum Niederoesterreich in der Jury vertreten.
Performerinnen: Verena Dürr, Suzie Léger, Barbis Ruder, Constanze Ruder, Ewa Stern
Öffnungszeiten: Dienstag - Freitag, 11-19 Uhr und Samstag 11-15 Uhr, Eintritt frei.
Zur Performance: Anat Stainberg
Preisverleihung: Christiane Krejs
Im Anschluss auf der Bühne im Innenhof
What's Inside a Girl
DJ d.b.h
Der H13 Niederoesterreich Preis für Performance geht dieses Jahr an die in Heidelberg geborene Barbis Ruder. Sie wird für ihre Performance Wertschöpfungskette ausgezeichnet, die am Donnerstag, 4. September 2014, im Kunstraum Niederoesterreich bei freiem Eintritt gezeigt wird.
Barbis Ruder hat in Deutschland und den Niederlanden Kulturmanagement studiert, bevor sie 2010 nach Wien kam, die Seiten wechselte und anfing, als Künstlerin zu arbeiten. Seit 2011 studiert sie an der Universität für Angewandte Kunst in der Abteilung Transmediale Kunst unter der Leitung von Brigitte Kowanz.
Themen wie Wirtschaft, Arbeit und Rollenbilder verarbeitet Ruder mittels Performance, über den Körper und Körperlichkeit. Innere und äußere Widerstände sind ihre Triebfedern; sie schafft Gegenentwürfe zu alltäglichen Gegebenheiten, statt sie einfach nur hinzunehmen. Humor ist dabei eines ihrer wichtigsten Werkzeuge.
Seit Beginn ihrer künstlerischen Arbeit entstanden immer wieder Projekte mit Kolleg_innen, kollaboratives Arbeiten ist ein Schwerpunkt des bisherigen Schaffens der Künstlerin.
Die Performance Wertschöpfungskette setzt sich aus vorerst fünf einzelnen Performances zusammen, die unterschiedlich kombinierbar sind. Sie basieren auf fünf Videoarbeiten im öffentlichen Raum, die Ruder als "kleine Aktionen des Ungehorsams und der Widerständigkeit" versteht. Sie setzt an sich intime Handlungen in einen neuen, öffentlichen Kontext, spielt mit unterschiedlichen Bedeutungsebenen und lädt die Betrachter_innen ein, Werte und Normen zu hinterfragen. In 1D - Wechsel versucht sie mitten auf einer Brücke Gewand über einen am Hals befestigten Hundetrichter anzuziehen, in 1E - Bruch zieht sie zu sanften Violinklängen mit einer Tuschfeder von Fuß bis Schoß schwarze Linien über ihren Körper. Als schlafende Schöne liegt sie in 1B - Kanon scheinbar nackt auf der Schwelle einer Kunstgalerie. Ruder setzt der heute oft konstruierten, künstlichen Schönheit ihre Körperlichkeit entgegen und thematisiert damit auch Abhängigkeitsverhältnisse am Markt und in der Kunstszene.
Die Frage der kommerziellen Verwertbarkeit von Kunst, speziell von Performance, beschäftigt Ruder auch formal. Für die Arbeit Wertschöpfungskette werden die fünf Videos, die ja verwertbar, verkaufbar, sind, in die unbeständige Kunstform Performance übersetzt. Die Performerin Ruder aus den Videos wird von mehreren Performerinnen ergänzt, die die Wertschöpfungskette einerseits uraufführen, sich andererseits aber auch der Herausforderung des Re-Enactments der Performances aus den Videoarbeiten stellen. Die sehr persönlichen und intimen Inhalte werden dadurch immer wieder neu mit den Persönlichkeiten der unterschiedlichen Performerinnen aufgeladen und gleichzeitig verallgemeinert.
Ruder legt die Performance als räumliche Komposition an, in der sowohl Performerinnen als auch Publikum gemeinsam eine Wegstrecke zurücklegen. Ein Rundgang, der vor dem Palais Niederösterreich startet, führt an einigen Bankomaten vorbei, an denen sich die Performerinnen bekreisen statt bekreuzigen. Die Rückkehr in den Innenhof des Palais führt unter Barbis Ruder hindurch, die eine Art Bogen bildet. Die Umsetzung von 1B Kanon erfolgt im Innenhof. Zeitlich getaktet schminken sich die Performerinnen und legen sich auf die Türschwelle des Kunstraums. Dabei werden sie gesanglich von Ruder und einer zweiten Stimme begleitet. Mehrere performative Stationen münden in ein letztes Bild, das die Performerinnen in den Fenstern des Kunstraums präsentiert. Dort versuchen sie, sich über umgeschnallte Trichter hinweg anzukleiden.
Das anschließende Konzert von "What's Inside a Girl" ist ebenso wie die Preisübergabe in den performativen Akt einbezogen.
Anat Stainberg aus der diesjährigen Jury des H13 schreibt über Barbis Ruder:
"Barbis Ruder hat eine starke künstlerische Stimme und einen erhobenen Zeigefinger - allerdings nicht in einem belehrenden, sondern in einem augenzwinkernd-freundlichen Sinn. Sie spielt mit ihren Themen, versieht sie auf vielschichtige Art und Weise mit Bedeutung und Inhalt, ohne je moralische Lösungen anzubieten. […] Sie steckt für sich ihr Territorium klar ab: Sie ist sich bewusst, dass es im Idealfall bei ihrem Publikum zu einer eigenen, höchst persönlichen Kettenreaktion von Assoziationen, Fragen und Verdachtsmomenten kommt. Und schlauerweise strebt sie genau das an."