Laia Fabre
Im Gespräch mit Barbara Pflanzner, Akademie Studio Programm, Creative Cluster, 21. Mai 2024.
In deinem Studio im Creative Cluster hängen deine neuesten Arbeiten auf Papier an der Wand, die sich stark von deinem bisherigen Werk unterscheiden. Kannst du erklären, wie es dazu gekommen ist und worum es bei den Arbeiten geht?
Alles hat damit begonnen, dass ich zahlreiche Notizen in mein Handy getippt habe. Ähnlich wie ein Musiker Texte schreibt, habe ich meine Gedanken festgehalten. Zunächst habe ich sie als Reels und Stories auf Instagram gepostet. Die überwältigenden Reaktionen, die ich erhalten habe, haben mich inspiriert, diese Notizen in Malerei zu verwandeln. Als ich die Ausschreibung für das Studio-Programm gesehen habe, war das die perfekte Gelegenheit: Ich habe einen Raum außerhalb meines Zuhauses gebraucht, um all diese Notizen auf Papier zu übertragen, wobei ich sie sorgfältig auswählen musste, weil es so viele waren. Üblicherweise beginne ich mit einer schwarzen Grundierung, dann trage ich weiße Farbe auf und lasse die Buchstaben entstehen. Die Pinselstriche und die Textur können von Tag zu Tag stark variieren. Die Arbeiten wirken immer ein bisschen rau, ein bisschen chaotisch, nicht ganz perfekt. Aber Perfektionismus ist auch wirklich nicht mein Ding. Es spricht mich vielmehr an, dass sie etwas rau aussehen. Meine Performances neigen auch dazu, intensiv und etwas trashig zu sein. Das sagt viel über meinen Stil aus. Die wechselnden Schriftarten tragen ebenfalls zu diesem Vibe bei – das ist nicht beabsichtigt, es passiert einfach ganz natürlich.
Bis jetzt warst du vor allem für deine Performance- und Videokunst bekannt. Was hat dich dazu veranlasst, auf ein anderes Medium zu wechseln?
Ja, das stimmt. Ich habe Video und Videoinstallation studiert, war aber auch als Performerin aktiv. Als Teenager habe ich viel gemalt. Während des Gymnasiums habe ich vier Jahre lang eine wunderbare Kunstschule in Barcelona besucht, wo ich zweimal pro Woche Unterricht bei einem Maler erhalten und viel Erfahrung gesammelt habe. Irgendwann kam aber der Punkt, an dem ich eine Pause vom Malen einlegt habe. Trotzdem hat es mir immer Spaß gemacht. Als ich dann diese Texte zur Hand hatte, habe ich mich gefragt, was ich mit ihnen anfangen sollte, und Malen erschien mir als natürliche Wahl. Anfangs war es eher ein persönliches Unterfangen ohne konkretes Ziel, aber das positive Feedback, das ich erhalten habe, hat mich ermutigt, weiter daran zu arbeiten.
Seit 2009 bist du Teil des kollaborativen Projekts notfoundyet. Worauf konzentriert ihr euch bei euren Performances?
Mit notfoundyet haben mein ehemaliger künstlerischer Partner Thomas Kasebacher und ich in unseren Performances stets die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verwischt. Unser Fokus liegt auf der Erforschung von gesellschaftlichen und gemeinschaftlichen Dynamiken sowie auf der Untersuchung der Komplexität menschlicher Existenz. Im Jahr 2021 wurden wir von den Wiener Festwochen eingeladen, ein Labor zu schaffen, das wir CALDO genannt haben, was auf Spanisch „Brühe“ bedeutet. Wir haben 24 Stunden damit verbracht, zusammen mit anderen eine Brühe zu kochen, die langsames Garen und viel Zeit erfordert hat. Uns hat die Dynamik fasziniert, die entsteht, wenn man so lange Zeit mit fremden Menschen verbringt. Was entwickelt sich in dieser Zeit? Man bildet eine Gemeinschaft und schafft gemeinsam etwas Bedeutungsvolles.
Dasselbe Konzept haben wir 2022 umgesetzt, als wir unser Projekt RAW bei demselben Festival präsentiert haben, indem wir kulinarische und künstlerische Erfahrungen miteinander verschmelzen haben lassen. Dieses Projekt wurde im folgenden Jahr auch in Barcelona gezeigt. Für RAW haben wir vier Abende organisiert, an denen wir lokale Köche mit internationalen Künstler_innen zusammengebracht haben, die eine künstlerische Arbeit bei den Wiener Festwochen gezeigt haben. An diesen Abenden haben wir mehrere Stunden mit dem Publikum interagiert und eine Mischung aus kulinarischem Genuss und künstlerischer Erkundung geboten. Die Vorbereitung für dieses Projekt war ziemlich aufwendig, da alle Teilnehmer_innen auf verschiedenen Kontinenten lebten. Da die Künstler_innen und Köch_innen sich vorher nie getroffen hatten, mussten wir über Zoom kommunizieren, um Menüs zu entwickeln, die zu den jeweiligen Paarungen passten. Die Menüs wurden basierend auf den kreativen Visionen der Künstler_innen oder dem thematischen Kern ihrer künstlerischen Praxis sorgfältig gestaltet. Die Köche waren erfahrene Profis, die jeweils ein eigenes Restaurant führen. Wir konnten sogar Max Stiegl als Koch und Isabelle Huppert als Gast gewinnen. Thomas und ich haben moderiert und bei den Veranstaltungen serviert, um eine Verbindung zu den Gästen herzustellen.
Unser Ziel war es, zu erforschen, welche Auswirkungen diese tollen Speisen und Getränke auf den Körper haben. Die Dinner haben in der Regel mindestens vier Stunden gedauert, was die Entstehung natürlicher Verbindungen gefördert hat und zu etwas Besonderem gemacht hat. Alkohol hat natürlich auch eine Rolle gespielt. Die Gäste wurden integraler Bestandteil der Performance. Wir haben diese Abende umfassend mit großartigen Fotos und Filmaufnahmen dokumentiert, und ich fände es spannend, sie in einer Publikation zusammenzufassen.
Ein weiteres wichtiges Projekt, das du mit notfoundyet entwickelt hast, ist Hotsprings aus dem Jahr 2020. Auch hier war das Publikum als integraler Teil eingebunden. Worum ging es bei diesem Projekt?
Hotsprings ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit Sexualität und Intimität. Wir haben die Show mit dem Ziel gezeigt, das Publikum so zu erregen, dass es den Wunsch verspürt, direkt nach Hause zu gehen und sich sexuell zu betätigen. Dieser Anspruch war eine große Herausforderung, besonders bei einer Live-Performance, wo solche Themen als peinlich empfunden werden können und es eher schwierig ist, dass sich die Besucher_innen vollständig darauf einlassen. Ein Freund von uns hatte diese Erfahrung im Theater gemacht, und Thomas und ich wollten das in unserer Show nachbilden. Wir haben mit verschiedenen Methoden experimentiert, um das Publikum einzubinden, sei es durch direkte Interaktion oder das Reichen von kleinen Leckerbissen, die im Mund schmelzen. Mir ist jedoch wichtig zu betonen, dass unsere Performances nicht allein dazu gedacht sind, das Publikum zu unterhalten. Wir möchten es vielmehr herausfordern – die Zuschauer_innen sollen nicht einfach passiv konsumieren, sondern aktiv teilnehmen.
Für das Stück haben Thomas und ich zahlreiche Sexting-Dialoge zwischen zwei Personen verfasst. Beim Betreten des Veranstaltungsortes war die Atmosphäre einladend – der Raum hat Wärme ausgestrahlt, war mit dem Duft von Zigaretten und Parfüm erfüllt und es spielte Musik. Jede Person erhielt einen nummerierten Umschlag mit einem Dialog, und diejenigen mit passenden Nummern wurden zusammengeführt. Ihre Aufgabe bestand darin, diese manchmal expliziten Texte laut mit einem Mikrofon vorzulesen, was mitunter als unangenehm empfunden wurde. Während einige das herausfordernd fanden, haben sich andere darüber amüsiert. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass wir niemanden zwingen, an unseren Performances teilzunehmen. Unser Ziel ist es nicht, Konfrontationen zu provozieren; vielmehr haben wir stets eine großzügige Resonanz erfahren, wenn Thomas und ich das Publikum zur Beteiligung einladen. Die entstandene Videoinstallation wurde von der MA7 erworben und wird im Herbst im Wien Museum musa in einer Ausstellung gezeigt werden.
Was steht, abseits davon, in den kommenden Monaten an?
Ich freue mich darauf, den malerischen Austausch mit meiner Tochter fortzuführen und Arbeiten auf Leinwand zu schaffen. Sie hat ein unglaubliches Talent für die Auswahl von Farben und für die Komposition – das ist wirklich bemerkenswert. Ich bin mir noch nicht sicher, wie unsere Zusammenarbeit genau aussehen wird – vielleicht beginnt sie ein Gemälde und ich vollende es oder umgekehrt. Es könnte sich ähnlich gestalten wie die Zusammenarbeit von Andy Warhol und Jean-Michel Basquiat.
Bezüglich der bevorstehenden Ereignisse habe ich bereits die Ausstellung im Wien Museum musa im September erwähnt, bei der The Fountain präsentiert wird, worauf ich mich sehr freue. Zudem plant ein Freund von mir, meine neuen Werke im Herbst auszustellen, und hat mich gebeten, die anderen Künstler_innen für die Ausstellung auszuwählen.
Außerdem steht mir eine spannende Zusammenarbeit mit meiner Malerfreundin Katharina Spielmann bevor. Sie wird von der Charim Galerie vertreten, die uns im Oktober eine sechs-wöchige Residency in der Anker Brotfabrik angeboten hat, wo wir gemeinsam an einem Projekt arbeiten werden.
Es scheint, dass du weiterhin gerne kollaborativ arbeitest.
Ich bin der Meinung, dass kollaborative Zusammenarbeit wirklich meine Stärke ist, ich bin eine echte Teamplayerin. Derzeit engagiere ich mich auch in einem künstlerischen Kollektiv namens Answers and Questions. Sie haben sieben in Wien lebende Künstler_innen und sieben weitere, die erst kürzlich in die Stadt gezogen sind, ausgewählt. Diese Künstler_innen werden zusammenarbeiten, um gemeinsame Werke zu schaffen, die später in der Galerie Barvinskyi im ersten Bezirk ausgestellt werden. Meine Partnerin in diesem Projekt ist eine Textilkünstlerin aus Bratislava, und wir haben bereits begonnen, Ideen zu entwickeln. Momentan tendieren wir zu der Idee, Möbel zu entwerfen.
Außerdem arbeite ich an einer Performance mit notfoundyet, für die bereits eine Finanzierung gesichert ist. Aufgrund der vielen anstehenden Projekte ist diese Performance für 2025 geplant und wird das Thema Tod aus der Perspektive junger Menschen erkunden, die meist mehr Distanz zu diesem Thema haben als Erwachsene. Diese Idee haben wir während der COVID-19-Pandemie entwickelt, neugierig auf ihre Erfahrungen mit dem Tod und wie sie ihn in ihrem Leben wahrnehmen. Unser Plan ist, bis zu sieben junge Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen einzubeziehen, da uns diese Inklusivität wichtig ist.
Es erfüllt mich mit Freude, gerade so viele aktuelle und noch kommende Projekte zu haben. Ich glaube, es ist wichtig, aktiv zu handeln, anstatt Dinge lange zu überdenken. Besonders erfreulich war es, dieses Stipendium zu erhalten. Ich könnte darüber nicht glücklicher sein.