Michelle Kuo | Forschung und Entwicklung. Experiments in Art and Technology (E.A.T.), 1966ff.
Vortrag (Englisch) im Rahmen des WWTF/Art(s) & Sciences-Forschungsprojekts "Troubling Research. Performing Knowledge in the Arts"
"Kunst" und "Forschung" sind in der Moderne geteilt worden - das eine ästhetisch, das andere technologisch; das eine autonom, das andere angewandt. In den 1960er Jahren wurde diese Binarität jedoch fundamental in Frage gestellt. Der Vortrag konzentriert sich auf das Epizentrum dieser Erschütterung: Experiments in Art and Technology (E.A.T.), eine 1966 von Billy Klüver und Fred Waldhauer, zwei Ingenieuren der Bell Laboratories, sowie den Künstlern Robert Rauschenberg und Robert Whitman gegründete Organisation. E.A.T. zielte darauf, Kollaborationen zwischen Künstler_innen und Ingenieur_innen zu ermöglichen. Ingenieur_innen, so hoffte die Gruppe, könnten Künstler_innen Zugang zu neuen Medien und Materialien verschaffen, während Künstler_innen zugleich die Methodologien instrumenteller industrieller Forschung ändern könnten. Zu den Teilnehmer_innen gehörten unter anderem John Cage, Andy Warhol, Mel Bochner, Carolee Schneemann und Robert Breer. Tatsächlich gelang es E.A.T., die Teleologien der modernistischen Erfindung und der technischen Innovation gleichermaßen zu beunruhigen. Die Projekte, die der Vortrag vorstellen wird, demonstrierten, dass der Kontakt zwischen den Disziplinen des Ingenieurswesens und der Kunstproduktion die Kategorien und Begriffe des ästhetischen Prozesses selbst verschiebt. Modelle der industriellen Forschung und Entwicklung stellten die Möglichkeit alternativer, so nicht bekannter Pfade bereit: spielerische und nicht-funktionalistische Weisen der Produktion, die in instabilen Objekten oder technischem Scheitern mündeten; organisatorische Netzwerke, die nicht den konventionellen Formen von Kollektivität folgten. E.A.T. kann als ein Versuch angesehen werden, einerseits mit den zunehmenden Einschränkungen ästhetischer Schlüsselstrategien in der Nachkriegszeit und andererseits mit den außerordentlichen Systemen technokratischer Expansion und Kontrolle umzugehen. Aus dieser Sackgasse entwickelten sich die Bedingungen der Möglichkeit für zeitgenössische Modi der künstlerischen Forschung und Wissensproduktion.
Michelle Kuo ist Senior Editor von Artforum . Außerdem ist sie Ph.D.-Kandidatin in Harvard und arbeitet an einer Dissertation mit dem Titel: "To Avoid the Waste of a Cultural Revolution": Experiments in Art and Technology (E.A.T.), 1966-1974 . Kuo publiziert in Artforum, Bookforum, October, The Art Bulletin und TDR/The Drama Review und ist die Autorin des Aufsatzes 9 Evenings in Reverse , im Ausstellungskatalog 9 Evenings Reconsidered: Art, Theatre, and Engineering (MIT List Visual Arts Center, 2006).