Flora Valentina Besenbäck
Im Gespräch mit Barbara Pflanzner, Studio im Creative Cluster, 27. Mai 2023
Du hast 2021 dein Studium der Bühnengestaltung bei Anna Viebrock an der Akademie abgeschlossen. Da diese Abschlussphase zeitlich in die Corona-Pandemie gefallen ist, hast du ein temporäres Atelier im Wald gebaut. Wie ist das gelaufen?
Das war eine Idee, die ich seit einem Seminar zum Thema utopische Architektur in meinem Kopf hatte, obwohl der Bau eines Ateliers im Wald während der Pandemie einen eher dystopischen Charakter besitzt. Ich habe mich gefragt, was es denn an temporärer Architektur im ländlichen Raum gibt. So kam ich auf den Hochstand. Ich habe nach Materialien in der Scheune gesucht und mir dann mit Motorsäge und Hammer einen gezimmert. Er lässt sich auf einer Seite ausklappen und erhält so die doppelte Grundfläche, ohne gegen die Vorschriften des Jagdgesetzes zu verstoßen. Zuvor habe ich erst einmal die Konstruktion aller Hochstände im Umfeld genau studiert, sie abgemessen, gezeichnet und fotografiert. Auf diese Weise entstand eine Art Landkarte von den Hochständen und aus dieser Routine, also den abgegangenen Wegen, mein Diplomprojekt.
Hast du den Hochstand dann auch als Studio genutzt oder ging es bei dem Projekt eher um den Prozess der Umsetzung?
Tatsächlich war der Hochstand ein Rückzugsort für mich, wo ich mich stundenlang hineingesetzt und nachgedacht oder geschrieben habe. Leider war ich in letzter Zeit weniger dort, weil ich ständig mit neuen Projekten irgendwo anders beschäftigt war. Aktuell befinden sich ein Tisch, ein Sessel, zwei Tassen, Stifte, WC-Papier, eine Schaufel und ein Teppich darin.
Weil du eben deine Diplomarbeit erwähnt hast: Worin lag dein Fokus?
In den letzten Jahren fanden vermehrt Ausstellungen zum Thema „Mensch - Natur“ statt. Auch an der Akademie wurden zu dieser Zeit drei zu diesem Thema gezeigt und ich hatte einfach das Bedürfnis, mich in bewirtschafteter Kulturlandschaft und performativ damit zu beschäftigen. Ausgehend davon hat sich das Projekt aber dahingehend entwickelt, dass es sich an den vorgefundenen Themen und Umständen vor Ort orientiert hat, etwa der Landschaft und der Landwirtschaft.
Hat sich deine Praxis mit dem festen Studioplatz wie diesem im Creative Cluster verändert? Oder ist ein fixer Ort gar nicht so relevant für deine Praxis?
Meine Praxis hat sich sehr verändert, insofern, als sie statischer wurde und sich mehr in die Stadt verlegt hat, zum Beispiel habe ich mit meiner Studio-Programm-Kollegin Isabela Voicu hier gemeinsam Bühne und Kostüm für ein Stück entworfen und umgesetzt. Auch das Projekt melken steigern ausnehmen – Eine Rindsrevue, das kürzlich stattgefunden hat, wurde hier konzipiert und vorbereitet, hauptsächlich unter der Mitwirkung von Leuten, die in Wien ansässig sind.
Was ist dir denn bei der Auswahl und der Umsetzung deiner Stücke wichtig?
Etwa das Prinzip oder der Versuch, ressourcenschonend zu arbeiten und bereits vorhandenes Material (immer wieder) zu nutzen – daraus folgt eine gewisse Ästhetik. Es haben sich auch Synergien aus der Ateliergemeinschaft ergeben: Meine Studiokolleg_innen lagern hier Seile und Karabiner – Materialien aus einem ehemaligen Projekt, die dann wieder bei meinen Performances zum Einsatz kamen. Ich finde es großartig, temporäre Strukturen und Räume zu schaffen, die be- und abnutzbar sind, hatte aber seit Beginn des Studiums ein Problem mit dem oft leichtfertigen Umgang mit Ressourcen an Theaterhäusern. In den eigenen Projekten habe ich einen Weg gefunden, damit umzugehen. Im Zuge einer Residency im Innviertel entstand etwa eine inszenierte Prozession mit Hilfe von Materialien aus einem örtlichen Second-Hand-Shop, die ich nach Abschluss einfach wieder dorthin zurückgebracht habe.
An welchen Projekten hast du im Rahmen des Programmjahres gearbeitet?
Das Projekt melken steigern ausnehmen – Eine Rindsrevue, das ich zusammen mit der Schauspielerin Marlene Hauser etwa zeitglich mit der Bewerbung für das Studio-Programm eingereicht habe, war sicher das intensivste in diesem Programmjahr. In Zwettl gibt es eine alte Viehversteigerungshalle, die samt dem umliegenden Areal einen spannenden Ort bildet, an dem ich unbedingt etwas umsetzen wollte, bevor der gesamte Komplex voraussichtlich 2026 abgerissen werden wird. Um die Halle hat sich ein künstlerisches Team aus dem Filmemacher Johannes Gierlinger, den Musiker_innen Katharina Maria Trenk und Georg Haider, der Tänzerin Juli Müllner sowie den zwei Mitgliedern der Academy of Fine Brass, Cosima Baum und Isabela Voicu, gebildet. Marlene und ich fanden es logisch, uns dort mit dem Thema „Rinder“ zu beschäftigen. Schließlich wurde es wirklich eine Revue – ein Hineinschauen in die Beziehungsgeschichte von Mensch und Rind. Ein anderes Projekt, an dem ich kürzlich gearbeitet habe, fand ebenfalls in Zwettl statt: Mit meinem Literaturverein hatten wir eine Kooperation mit dem Institut für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst. Im Rahmen eines Seminars wurden Kurztexte geschrieben, aufgenommen und können nun in einer Telefonzelle, die noch bis August steht, abgehört werden. Diese wurden von mir zu einer Art Innenraum umgestaltet, angelehnt an Architektur und Design der Zeit, aus der sie stammt. Ein weiteres sehr intensives Projekt war die mit einer großen Gruppe von Künstler_innen kollektiv entwickelte Performance Dollhouses – The Swimming Pool in Köln. Im Januar ist ein Teil des Kollektivs nach Wien gereist und wir haben mit einem Workshop-Wochenende hier im Creative Cluster die gemeinsame Arbeitsphase begonnen.
Was ist denn in der nächsten Zeit über das Programm hinaus geplant?
Ich habe in den letzten Wochen ein Projekt nach dem anderen abgeschlossen, es war zeitlich sehr dicht. Nun folgen die Aufarbeitung, Reflexion und Dokumentation. Die intensive Zusammenarbeit mit Marlene Hauser im letzten Jahr war wahnsinnig bereichernd, diese würden wir beide gerne fortführen und haben dafür bereits einige Ideen. Im August arbeite ich mit dem Kollektiv für Objekttheater Spitzwegerich an einer Etappe ihres Jahresprojektes GEHÄUSE am Herrensee in Litschau und im Herbst dann in Wien.