Isabela Voicu
Im Gespräch mit Barbara Pflanzner, Studio im Creative Cluster, 24. Mai 2023
Du hast sowohl ein Studium der bildenden Kunst als auch der Bühnengestaltung an der Akademie der bildenden Künste Wien abgeschlossen. Wie bedingen sich diese beiden Studien in deiner Arbeit?
Was meine Arbeitsweise angeht, gibt es da nicht wirklich eine klare Grenze für mich. Es sind beides künstlerische Prozesse, während derer sich eine Art Resultat entwickelt. Das Studium der Szenografie an der Akademie hat mich angeleitet, die Bühne nicht nur als Bühne im Theater, also als Blackbox, zu sehen, sondern dass eine Bühne alles sein kann. Das finde ich sehr befreiend; es ermöglicht mir auch andere Disziplinen miteinzubeziehen. Ich frage mich: Wenn alles eine Bühne sein kann, ab wann ist ein Bühnenelement eine Installation? Oder auch: Ab wann ist ein Kostüm eine Skulptur?
Gibt es in deiner Arbeit Aspekte, die du als künstlerische Handschrift beschreiben würdest?
Ich glaube nicht. Ich arbeite projektbezogen und lasse mich sehr gerne auf das jeweilige Thema ein. Beziehungsweise finde ich das auch gerade das Spannende: dass ich durch meine Projekte immer wieder etwas anderes ausprobieren kann. Ich schließe nicht aus, dass es irgendwann einmal etwas geben wird, das mich für längere Zeit beschäftigt und zu meiner Handschrift wird, aber im Moment finde ich es gerade sehr interessant, einfach zu entdecken. Ich experimentiere auch sehr gerne mit unterschiedlichen Materialien und unterschiedlichen Disziplinen. Vielleicht gibt es im Prozess Aspekte, die immer wieder kehren, aber noch nicht im Endprodukt. Vielleicht ist das meine Handschrift: dass sich immer alles ändert.
Du beschäftigst dich interdisziplinär mit anderen Kunstformen – etwa mit Performance oder mit Zeichnung –, oft mit einem ortsspezifischen Ansatz. Wie zeigt sich das in deiner Arbeit?
Meine wichtigste Inspirationsquelle ist es hinauszugehen und Leuten zu begegnen, mit denen ich normalerweise nicht in Kontakt kommen würde. Man kann das auch als Neugierde sehen. Es hat für mich etwas Abenteuerliches, wenn ich meine Komfortzone verlasse, mich umschaue und Orte entdecke. Das meinte ich auch damit, dass die Bühne ja eigentlich alles sein kann: Ich spiele gerne damit, dass an alltäglichen Orten in der Natur oder im öffentlichen Raum, etwa wenn man auf der Bank sitzend auf den Bus wartet, kleine szenische Stücke entstehen können, wenn man nur gut genug beobachtet. Man braucht nur die Geduld und die Aufmerksamkeit dazu. Für ein Projekt an der Akademie haben wir mit der Methode „As Found" gearbeitet: wir haben Spaziergänge durch die Stadt gemacht, um Orte zu finden, mit denen wir uns dann für längere Zeit auseinandergesetzt haben. In der Brigittenau bin ich auf eine ehemalige Kesselfabrik gestoßen, die von außen verlassen gewirkt hat. Ich bin hineingegangen und habe mich umgesehen, woraufhin ein Mann herausgekommen ist, mit dem ich ins Gespräch gekommen bin. Ich habe erfahren, dass er der Enkel des Fabrikanten ist, der die Fabrik ursprünglich gebaut hat. Er hat eine Hausführung mit mir gemacht und man hat gesehen: dieses Haus war seit der Großvater gestorben ist nicht mehr angerührt worden. Auf dem Tisch sind noch die Kündigungspapiere der letzten Mitarbeiter gelegen – das war eine richtige Zeitkapsel. Diese Begegnung hat mich sehr inspiriert. Ursprünglich wollte ich ein Modell des Gebäudes bauen, allerdings ließe sich die Essenz dieses Hauses – der Staub auf den Papieren und alles, was sich noch darin befindet – nicht in dieses Medium überführen. Daraufhin habe ich mich entschlossen, eine Videoarbeit zu machen. Ich habe den Besitzer interviewt und mit den Mitarbeiter_innen gesprochen, war sehr oft auch alleine da, was manchmal unheimlich und unangenehm war. Der Eigentümer hat auch einen Bunker in seinem Garten, weil der Großvater während des Krieges ausnahmsweise Panzerböden produziert hat und sich dafür einen Bunker bauen lassen musste. Für mich ist das eine ortsspezifische Arbeit, eine Auseinandersetzung mit diesem gefundenen Ort. Ortsspezifisch heißt für mich aber auch, dass man einen Ort so nimmt wie er ist und etwas vor Ort entwickeln oder entstehen lässt, was woanders so nicht funktionieren würde.
Die Betrachtung der Umgebung war auch Thema deiner Diplomarbeit an der Akademie, richtig?
Meine Diplomarbeit ist durch den Wunsch entstanden, ein Projekt während einer Frachtschiffreise zu entwickeln. Die Reise konnte wegen der Pandemie nicht stattfinden und ich habe daraufhin beschlossen, dass der Prospekthof des Atelierhauses sich bestens als Ersatzort eignet, weil dieser Raum auf mich wie ein umgedrehtes Schiff wirkt. Ich habe einen nur minimalen Eingriff in den Raum gemacht, indem ich Liegen hingestellt und so den Blick auf die Decke gelenkt habe. Während man da lag, konnte man Geschichten über das Meer und über das Leben am Meer zuhören – eine Textcollage, die ich zusammengestellt habe. Alleine die neu ausgerichtete Blickrichtung und das Zuhören gab dem Raum einen anderen Sinn und dem Publikum ein anderes Gefühl für ihn.
Du bist auch Teil der künstlerischen Quintetts Academy of Fine Brass. Was ist euer Konzept?
Wir sind fünf Szenografinnen und haben uns an der Akademie während des Bühnenbild-Studiums kennen gelernt. Mitglieder sind Cosima Baum, die letztes Jahr Stipendiatin des Studio-Programms war, Flora Besenbäck, sie ist aktuell Teilnehmerin, Joanne Klopp, Astrid Rausch und ich. Wir haben alle keine musikalische Ausbildung, haben uns aber alle gewünscht, Musik zu machen. Wir haben gemerkt, dass wir beim Spielen alle Angst vor dem Scheitern haben und uns deswegen entschlossen, uns diesem Thema zu widmen. Dafür haben wir uns vorgenommen, innerhalb von drei Monaten drei Opern-Ouvertüren zu lernen, um ein virtuoses Neujahrskonzert zu spielen. Das heißt, Anfängerinnen haben die Anfänge von Stücken zum Anfang des Jahres gespielt – das hat total Sinn für uns gemacht. Dazu haben wir uns die virtuosesten Instrumente überhaupt ausgesucht, nämlich Blechblasinstrumente. Und so entstand die Academy of Fine Brass. Es geht aber eher um ein Kunstprojekt als um eine Band. Wenn wir auftreten, dann sind für uns Kostüme und Prozesse ebenso wichtig wie Überlegungen, wo wir auftreten und wie ein Auftritt aufgebaut ist.
Gerade sitzen wir an deinem Arbeitsplatz. Auf dem Tisch liegen ein paar Puppen, an denen du schon seit Längerem arbeitest. Was hat es sich mit diesen auf sich?
Die Puppen haben für mich einen Arbeitsprozess eröffnet, den ich davor nicht kannte. Sie sind im Rahmen eines Workshops mit der Kostümbildnerin Greta Goiris entstanden, mit der ich bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet habe. Wir haben versucht eine Puppe mit dem Hintergedanken zu bauen, welche Bewegung man für sie finden kann: Wie halte ich meine Hand, wie bewege ich mich, wie bewegt sich die Puppe? In einem zweiten Schritt, der für mich eigentlich der spannendere war, haben wir diese Puppen in ein Kostüm übersetzt, das auch von einer Person hätte getragen werden können. Dieser Shift hat Bewegungen oder Positionen ermöglicht, auf die ich so nicht gekommen wäre. Diesen Prozess fand ich sehr interessant. Die entstandenen Kostüme erweitern sich auch in den Raum, etwa durch ganz lange Arme, einen abnehmbaren Kopf oder andere Objekte, die Körper und Raum verbinden können.
An was arbeitest du aktuell bzw. was sind deine Pläne?
In den nächsten Monaten, die ich noch hier im Atelier bin, habe ich vor weiter zu experimentieren. Ich habe eine schöne Sammlung an Materialien und gefundenen Objekten für die Puppen, die in den nächsten Monaten entstehen werden, angelegt – zwei Kisten voller gefundener Stoffreste und solchen, die ich bei unterschiedlichen Stücken, an denen ich mitgearbeitet habe, mitnehmen durfte. Der Plan ist, mit Figuren aus unterschiedlichen Traditionen zu arbeiten und mit der Grenze zwischen erfundener und tatsächlicher Tradition. Ich würde mich gerne mit rumänischen Traditionen und Ritualen befassen, die sich einerseits in der Kleidung manifestieren, aber auch in brauchtümlichen Wesen. Ganz oft gibt es Parallelen zwischen unterschiedlichen Kulturen. Als ich in Réunion, einer Insel im Indischen Ozean, an der dortigen Kunstuniversität studiert habe, hat mich sehr erstaunt und begeistert zu sehen, dass es tatsächlich Ähnlichkeiten in Erzählungen gibt, die zehntausend Kilometer weit entfernt auch in Rumänien existieren. In Réunion ist auch ein Buch mit Collagen entstanden, das gleichzeitig eine Recherche und eine Sammlung von unterschiedlichen Elementen ist, die mich dort fasziniert haben: Orte, die sich gut als Bühne eignen würden, etwa am Strand, oder Fotos von Leuten, denen ich begegnet und mit denen ich am Markt oder an der Bushaltestelle in Kontakt gekommen bin. Es sind auch ein paar Collagen als Entwürfe für die mythologischen Puppen-Figuren darin zu finden. An solchen Skizzenbüchern arbeite ich sehr gerne, sie sind wie ein kleiner, eigener Fundus von Ideen und Gedanken, auf den ich später zurückgreifen kann.