Skip to main content

Sophie Eidenberger

Im Gespräch mit Barbara Pflanzner, Akademie Studio-Programm, Creative Cluster, 19. März 2024.

Bevor du an der Akademie angefangen hast Bühnengestaltung zu studieren, hast du praktische Erfahrung gesammelt, nämlich am Thalia Theater und im Neo Magazin Royale. Was genau hast du dort gemacht und inwieweit waren diese Erfahrungen wichtig für deine Entscheidung, ein Studium zu beginnen? 

Das Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft hat mein Interesse an der ästhetischen Gestaltung im Theater geweckt. Das Visuelle eines Stückes empfinde ich als besonders prägend. Bevor ich mich entschied, ein Studium der Bühnengestaltung zu beginnen, wollte ich zuerst die praktische Seite dieses Berufes kennen lernen und es fehlte zunächst auch das Selbstvertrauen, mich an der Akademie zu bewerben. So bin ich dann zum Thalia Theater gekommen, wo ich als externe Requisiteurin für äußerst aufwendige Projekte zuständig war. Beim Neo Magazin Royale habe ich während eines mehrmonatigen Praktikums im Szenenbild gearbeitet, wodurch ein langgehegter Traum in Erfüllung gegangen ist. Besonders hat mich das politische Potenzial der Sendung und des Theaters fasziniert. Die Atmosphäre war sehr familiär, ich hatte die Möglichkeit, viel selbst zu machen, habe ständig ungewöhnliche Aufgaben gehabt und es war einfach richtig lustig.

Und dann bist du an die Akademie gekommen und hast 2020 dein Studium der Bühnengestaltung bei Nina von Mechow mit der Diplomarbeit Chemtrails over the Schillerplatz abgeschlossen. Worum geht es in diesem Projekt?

Wie bereits erwähnt, habe ich früh begonnen, mich für das politische Potential von Theater zu interessieren. Während meines Studiums habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, warum Theater heute noch relevant ist, ob es nicht eine überholte Form ist und mich gefragt, warum ich trotzdem immer noch gerne hingehe. Mich fasziniert, was Theater immer noch interessant und relevant macht und was es über unsere Zeit aussagen kann. Besonders interessiert mich, wo Theater subversiv sein kann, wie es Menschen aus ihrem Alltag und ihrer Blase herausholen kann und wie es durch seine Nähe Erlebnisse schafft, die Denkprozesse anregen können. Für meine Diplomarbeit habe ich mich entschieden, mich mit der während der Corona-Pandemie generell und auch in meinem persönlichen Umfeld aufkommenden Wissenschaftsskepsis und dem vermehrten Auftreten von Verschwörungsmythen auseinanderzusetzen. Spezifisch habe ich den Mythos der Chemtrails herangezogen – also die Überzeugung, dass Flugzeuge Chemikalien versprühen, entweder zur Wettermanipulation oder um uns alle gleichzuschalten. Dafür habe ich einen immersiven Parcours gestaltet, der die Besucher_innen dramaturgisch durch die Räume eines ehemaligen Amtsgebäudes geführt hat. Mein Ziel war es, die Geschichte einer typischen Verschwörungstheoretiker_innen-Karriere zu erzählen, um ein Stück weit nachvollziehbar zu machen, wie man in so was hineingerät.

Mittlerweile arbeitest du als freie Szenografin und Kostümbildnerin. Bei welchen Projekten interessiert es dich mitzuarbeiten bzw. anhand welcher Aspekte wählst du Projekte aus?

Mein Fokus liegt zuerst ganz stark auf dem Umfeld, das im Prozess gegeben ist. Eine Theaterproduktion ist ein sehr intimes Unterfangen, bei dem es wichtig ist, dass gegenseitiger Respekt vorhanden ist und die Zusammenarbeit wertschätzend verläuft. Ich habe, auch über die Zeit im institutionalisierten Theater, festgestellt – und ich glaube, das ist ein offenes Geheimnis –, dass dieser Mikrokosmos leicht zum Herd für Machtmissbrauch werden kann. In der freien Szene gibt es oft von vornherein eine gemeinsame Absprache, dass jede_r so viel wie möglich in das Projekt investiert und man trotz eher begrenzter Ressourcen mit voller Leidenschaft dabei ist. Gerade habe ich für das Projekt Im Menschen muss alles herrlich sein im Theater am Werk, das sich mit Frauen aus der Ukraine zu Zeiten der Sowjetunion beschäftigt, die Kostüme gestaltet. Das war unglaublich bereichernd, denn ich konnte viel über die Geschichte der Ukraine lernen. Mir ist wichtig, dass es einen für heute relevanten Kontext gibt und ich wünsche mir, dass ich im direkten Erleben etwas beitragen kann.

Das Stück wurde im Februar 2024 im Theater im Werk erstaufgeführt. Wie bist du denn an die Gestaltung der Kostüme herangegangen?

Ich habe viel mit der Regisseurin über die Herausforderung gesprochen, sich die Geschichten der Frauen nicht aneignen zu wollen, Abstand von Personifikation zu nehmen und deren Geschichten eher durch eine indirekte Darstellung zu erzählen. Die Idee bestand darin, dass die Darstellerinnen zunächst als eine Art Bühnenarbeiterinnen auftreten, aus denen sich allmählich die Figuren herauskristallisieren. Wir haben Grundkostüme verwendet, die eher sportlich und uniform waren, und im Verlauf des Stückes haben sich die Charaktere durch das An- und Ausziehen von einzelnen Kostümteilen entwickelt. 

Zu Nikolaus Adlers Stück Bright Red, das im WUK aufgeführt wurde, hast du sowohl das Bühnenbild als auch die Kostüme gestaltet. Im Stück ging es um die Einzigartigkeit des Menschen, worauf hast du dein Augenmerk gelegt?

Es ging im Kern darum, die Einzigartigkeit des Individuums zu erfassen und um die Frage, wie man die authentische Leidenschaft einer Person erzählen kann, ohne dass diese sich selbst beschreibt. Eine zentrale Aufgabe an die Tänzer_innen war es beispielsweise, ihr Lieblingsbuch auszuwählen, es jedoch niemandem zu verraten. Über diesen Umweg und die Arbeit mit diesem Lieblingsbuch sollten sie sich ihrer authentischen Leidenschaft annähern. Dieses Prinzip habe ich für meine Arbeit am Bühnenbild übernommen und mich gefragt, was Individualität für mich bedeutet. Daraus ist eine Lichtinstallation entstanden, eine Art Gerüst, das zerfällt und sich wieder neu zusammenbaut. Die Kostüme waren schwarz und mit Reißverschlüssen an verschiedenen Stellen versehen, die andere Materialitäten und Farben freigegeben haben, wenn die Schauspieler_innen sie geöffnet haben. 

Ich sehe hinter dir verschiedene Entwürfe oder Skizzen, an was arbeitest du denn aktuell?

Aktuell arbeite ich an zwei Stücken für den Dschungel Wien, die im September zur Aufführung kommen. Beide Stücke sind für Jugendliche konzipiert. Das eine behandelt das Thema Pornografie und den Umgang junger Menschen, die durch Smartphones heute schon viel früher mit Sexualität konfrontiert werden, damit. Beim anderen Stück, Erdmännchen, geht es um Sprache, Zusammengehörigkeit, und um die Erfahrung, aus einem uniformen System herauszufallen. 

Zudem arbeite ich derzeit an Kostümen für ein Projekt in der Wiener Staatsoper. Ich habe das Glück Teil eines Projekts der Gruppe Nesterval, der größten Gruppe für immersives Theater im deutschsprachigen Raum, zu sein und für dieses die Kostüme zu gestalten. Das Stück heißt Götterdämmerung? und wird im Dezember 2024 in der neuen Spielstätte der Staatsoper aufgeführt. Diese Version der Götterdämmerung ist immersiv angelegt, das heißt, das Publikum kann einem von zwanzig verschiedenen Charakteren folgen und sieht jeweils einen anderen Strang der Geschichte, die in einem vom Klimawandel gezeichneten, dystopischen Wien der Zukunft spielt. Der ästhetische Ausgangspunkt für das Stück ist der Film Die Nibelungen von Fritz Lang. Ich verfolge in meiner Arbeit einen sehr nachhaltigen Ansatz und arbeite vor allem mit dem Fundus von ART for ART. Wenn wir schon ein Thema wie den Klimawandel behandeln, sollte das auch in der Produktion berücksichtigt sein. Die Idee war, mit der Ästhetik von historischen Kostümen, wie man sie on der Staatsoper kennt, zu arbeiten und dadurch einen spannenden Bruch zu erzeugen. Das Spiel mit bewussten Brüchen ist ein Kennzeichen der Arbeit von Nesterval, insbesondere auch auf der Ebene von Geschlechterstereotypien.