Dokumentation zwischen Historie und Biografie
Video Lounge der Studierenden der Akademie der bildenden Künste Wien im Le Méridien Wien. Die Arbeiten entstanden im Rahmen der Lehrveranstaltung Video I von Bettina Henkel. Institut für bildende Kunst Wien, Medienlabor. Assistenz: Nicole Szolga.
Die 41-minütige Video-Kompilation, bzw alle sieben Arbeiten sind im Dezember und Januar 2009/2010 im Rahmen der Lehrveranstaltung Video I von Bettina Henkel an der Akademie der bildenden Künste Wien im Medienlabor entstanden. Vorgegeben war die thematische Auseinandersetzung mit dem Format einer künstlerisch-filmischen Dokumentation, wobei das Interview im Zentrum des Interesses stand. Begonnen wurde mit dem gemeinsamen Sichten und Analysieren filmischer, bzw künstlerischer Beispiele verschiedener Dokumentationen die einen historischen Focus im lebensgeschichtlichen Kontext hatten. Als neu entstandener roter Faden durch alle Arbeiten steht letztendlich die Erinnerung und das Erinnern seiner ProtagonistInnen. KünstlerInnen: Johannes Grammel, Karoline Hogl, Ianina Ilitcheva, Mario Kiesenhofer, Julia Novacek, Agnes Prammer, Mathias Windelberg, Asli Yilmaztürk.
Eine Kooperation von Akademie der bildenden Künste Wien und Le Méridien Wien.
Die Arbeiten in ihrer Reihenfolge:
Do you remember?
Asli Yilmaztürk
2010, HD-Video, english, 4 min 30 sek
Englisch/English
Hochneukirchen
Julia Novacek
2010, HD-Video, 3 min
Deutsch/German
2047
Agnes Prammer
2010, HD-Video, 5 min 50 sek
Deutsch/German
SKIZZEN
Johannes Grammel
2010, HD-Video, 7 min 55 sek
Deutsch mit englischen Untertitel und Englisch/German with English subtitles and English
Plov
Ianina Ilitcheva
2010, HD-Video, 5 min 50 sek
Deutsch/German
I was buying trousers
Karoline Hogl, Mario Kiesenhofer, Julia Novacek
Asli Yilmazturk
2010, HD-Video, 4 min 50 sek
Englisch/English
Wind
Mathias Windelberg
2010, HD-Video, 9 min
Deutsch/German
Zur Kompilation:
Erinnerung
Zu sehen sind sehr persönliche Lösungen, entstanden in gemeinsamer Reflektion und gegenseitig unterstützendem Teamwork, die das Ausgangsthema auf unterschiedliche Art und Weise umsetzten. Zentral waren dabei das Erinnern und die Befragung im familiären Rahmen, was einen Balanceakt zwischen Nähe und Distanz erforderte. Gerade dadurch sind die Arbeiten sehr individuell und bereichern sich gegenseitig.
Der Erinnerungsvorgang als simple Frage im Video von Asli Yilmaztürk nach dem Erinnern eine zufällig gewählten Tages - "Was hast du vor 10 Tagen gemacht?" - mündete in einer Arbeit über das visualisierte Denken und Zurückholen von Ereignissen die nah und zugleich sehr fern sind. Die Befragten zeigen sich erstaunt und amüsiert über das vergebliche Erinnern, oder angestrengt, buchstäblich händeringend suchend, als ob die Lösung irgendwo im Raum zu finden sei - rechts neben der Kamera vielleicht? Anders die Arbeit von Karoline Hogl, Mario Kiesenhofer, Julia Novacek und Asli Yilmaztürk die nach der Erinnerung eines ganz bestimmten Tags, eines weltweiten Ereignisses fragt. Doch bleibt das Ereignis bis zum Schluss ungeklärt in einem angstbesetzten und bedrohlichen vagen Zustand, ohne direkt genannt zu werden und wird vielleicht zu einem nachdenklich stimmenden universellen Katastrophen-Platzhalter.
Mathias Windelberg fragt in äußerst malerischen und suggestiven Bildern nach Erinnerung an den Wind der vergangenen Wochen und lokale Ereignisse werden einzig nach dem Wetter eingeordnet. Ganz im Gegensatz dazu geht Agnes Prammer in ihrer "Fake-Biography" vor. Sie bittet eine Freundin (Clara Trischler) ihre eigene Lebensgeschichte aus der Perspektive des Jahres 2047 zu entwerfen und diese vor der Kamera zu erzählen. Gleichzeitig wird diese Geschichte als Interview erneut erzählt. Clara Trischler interviewt nun ihr alter ego, eine entsprechend ältere Frau, die Clara im Jahre 2047 darstellt, in einer merkwürdig künstlichen Umgebung.
Ausgehend von einer Kindheitserinnerung befragt Johannes Grammel seinen Großvater nach eben dieser Erinnerung und fährt darauf hin nach Israel, um der entstanden Spur nachzugehen. Ianina Ilitchevas Mutter hingegen erinnert sich anhand eines Gerichts, welches sie für das Projektteam kocht, an das, was Kochen und Essen in ihrer usbekisch-koreanischen Heimat bedeutet. Das Erinnern an die Zeiten bevor es Licht in Hochneukirchen, nämlich Straßenbeleuchtung, gab, wird im Video von Julia Novacek zu einer Frage des Für und Wider der unfreiwilligen Erhellung der Nacht und letztendlich zu einer Frage von Demokratie.
Bettina Henkel