Wieviel Wissenschaft bekommt der Kunst?
Eine Veranstaltung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft in Kooperation mit der Akademie der bildenden Künste Wien.
Das Verhältnis zwischen Wissenschaften und Künsten oszilliert seit jeher: Zweitweise werden die beiden Bereiche streng voneinander getrennt, dann wieder nähern sie sich aneinander an; mitunter (etwa bei Platon) werden als Wissenschaften Künste genannt, dann wieder (wie im Mittelalter) als "artes liberales" die Wissenschaften. Im Verlauf der Neuzeit schien sich das Verständnis von Wissenschaften und Künsten so zu differenzieren, dass uns diese im Wesentlichen sinnlich erfreuen, während uns (nur) jene Erkenntnisse vermitteln. Dagegen scheinen die Grenzen in letzter Zeit wieder zu zerfließen, indem einerseits eine "Ästhetisierung" der Wissenschaften festgestellt wird, andererseits aber eine Verwissenschaftlichung der Künste, die immer wieder mit dem Begriff der künstlerischen Forschung gleichgesetzt wird.
Indes stellt sich die Frage, ob die Betonung der Möglichkeit von Forschung in der Kunst mit deren Verwissenschaftlichung gleichzusetzen ist; die Wörter "Wissenschaft" und "Forschung" sind ja nicht bedeutungsgleich. Wenn - seitens der Wissenschaften wie auch von Kunstschaffenden - in Frage gestellt wird, ob Künstler_innen forschen können, wird also ein wissenschaftliches Verständnis von Forschung vorausgesetzt, und es wird zur Diskussion gestellt, ob Kunst dem entsprechen kann bzw. sollte. Der Verzicht auf diese Voraussetzung wirft andererseits die Frage auf, inwiefern in beiderlei Hinsicht von Forschung die Rede sein kann, ob wissenschaftlichen und künstlerischen Ansätzen bestimmte Formen der Recherche gemeinsam sind oder ob der Ausdruck "Forschung" jeweils etwas ganz anderes bedeutet. Führen ähnliche Verfahren in Wissenschaften und Künsten zu jeweils anderen Ergebnissen und woran liegt dies gegebenenfalls? Oder gelangen im Bereich künstlerischer Forschung gänzlich andere Verfahren zum Einsatz, bedarf es also einer anderen Forschungsmethodologie als in den an Objektivität und intersubjektiver Nachvollziehbarkeit orientierten Wissenschaften? Welche Regeln liegen den sozialen Systemen Wissenschaft und Kunst jeweils zugrunde (und welche Entwicklungen sind diesbezüglich zu beobachten)? Derlei Fragen, die u.a. auch so verstanden werden können, welche Wissenschaft die Kunst braucht bzw. in welcher Form wissenschaftliche Momente in den Künsten aufscheinen, sollen mit Blick auf drei Bereiche behandelt werden:
Künstlerische und wissenschaftliche Praxis: Was ist bei der künstlerischen Forschung mit "Forschung" gemeint und inwiefern ist dabei von Wissensproduktion zu sprechen? Wie werden wissenschaftliche Methoden in die Künste implementiert? Inwiefern entsteht durch künstlerische Forschung etwas Neues, das auch für die Wissenschaften interessant ist, zugleich aber eine davon unabhängige Erkenntnis stiftende Funktion hat? Wo finden interessante Kooperationen zwischen Ansätzen in Kunst und Wissenschaft sowie Wirtschaft statt? Welchen Mehrwert hat die Kooperation zwischen wissenschaftlichen und künstlerischen Ansätzen (und was ist zu tun, um diesen Mehrwert systematisch zu erlangen)?
Standards künstlerischer Forschung: Werden die institutionellen Anforderungen und Rahmenbedingungen den Projekten im Rahmen von "art-based research" gerecht? Welchen Status hat das "peer reviewing" in Wissenschaft und Kunst bzw. welche Art von Bewertung ist für künstlerische und wissenschaftliche Forschung (zumal für deren Ergebnisse) angemessen? Wie beeinflussen wissenschaftlich-künstlerische Kooperationen die Entwicklung der "artistic" und "scientific communities"? Wie sind die österreichischen Erfahrungen im Vergleich zu internationalen "best practices"? Welche Relevanz hat PEEK im europäischen Kontext?
Verwissenschaftlichung künstlerischer Studien: Ist das künstlerische Doktorat paradigmatisch für künstlerische Forschung? Gleichen sich wissenschaftliche und künstlerische Produktionen durch ähnlich strukturierte Studienpläne einander an? Sind auch Möglichkeiten der Ausbildung zu künstlerischer Forschung denkbar, die sich nicht am klassischen Universitäts- curriculum orientieren? Wie wirkt sich die akademische Institutionalisierung auf die künstlerische Produktion aus? Inwiefern fördert eine akademische Ausbildung an Kunsthochschulen und -universitäten die "Entwicklung und Erschließung der Künste"?
Programm:
Freitag 4. November
Künstlerische und wissenschaftliche Praxis:
09.15 Eva Blimlinger (Wien), Otto Neumaier (Salzburg)
Begrüßung / Einleitung
09.30 Jens Badura (Lausanne/Zürich)
Was ist und zu welche Ende betreibt man künstlerische Forschung?
10.00 Diskussion
10.30 Barbara Imhof (Wien)
Künstlerische Erforschung der Natur und ihre Anwendung in der Architektur
11.00 Diskussion
11.30 Kaffeepause
12.00 Heike-Karin Föll (Berlin)
Zum Zusammenspiel von Kunst, Theorie und Wirtschaft
12.30 Diskussion
13.00–14.00 Mittagspause
Standards künstlerischer Forschung:
14.00 Anke Haarmann (Lüneburg)
Gibt es eine Methodologie künstlerischer Forschung?
14.30 Diskussion
15.00 Michael Schwab (London)
Peer Reviewing für Zeitschriften künstlerischer Forschung
15.30 Diskussion
16.00 Kaffeepause
16.30 Julie Harboe (Luzern)
Künstlerische Forschung im europäischen Kontext
17.00 Diskussion
17.30 Kaffeepause
18.00 Thomas Grunwald, Anton Rey (Zürich)
Act like you mean it (Lecture Performance)
19.00 Diskussion
Samstag 5. November
Verwissenschaftlichung künstlerischer Studien:
09.30 Renate Lorenz (Wien)
Für offene Zukünftigkeit: Das unmögliche Curriculum künstlerischer Forschung
10.00 Diskussion
10.30 Ulf Bästlein (Graz)
Erfahrungen mit dem künstlerischen Doktoratsstudium
11.00 Diskussion
11.30 Kaffeepause
12.00 Rainer Metzger (Karlsruhe)
Der „kleine Unterschied“. Ist er mehr als ein Narzissmus?
12.30 Diskussion
Die Mitwirkenden :
Dr. habil. Jens Badura, École Polytechnique fédérale de Lausanne, Projet de recherche artistique „jonXion“,
Prof. Dr. Ulf Bästlein, Doktoratsschule f.d. künstlerische Doktoratsstudium, Kunstuniversität Graz
Mag. Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien Dr. Heike-Karin Föll, Institut für Kunst im Kontext, Universität der Künste Berlin
Prof. Dr. Thomas Grunwald, Abteilung Neurophysiologie, Schweizerisches Epilepsiezentrum
Dr. Anke Haarmann, Institut für Kulturtheorie, -forschung und Künste, Universität Lüneburg Mag.
Julie Harboe, Abteilung Forschung, Kunsthochschule LuzernDr. Barbara Imhof, Liquifer Systems Group, Wien
Prof. Dr. Renate Lorenz, Institut für Bildende Kunst, Akademie der Bildenden Künste Wien
Prof. Dr. Rainer Metzger, Kunsthistorisches Seminar, Staatliche Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe
Prof. Dr. Otto Neumaier, Fachbereich Philosophie an der Kultur- und Gesellschaftswissensch. Fakultät, Universität Salzburg
Prof. Anton Rey, Department Darstellende Künste und Film, Züricher Hochschule der Künste
Dr. Michael Schwab, Royal College of Art, London