Der Gordische Knoten. Lösungsszenarien in Wissenschaft und Kunst
Symposium der ARGE „Wissenschaft und Kunst“ der Österreichischen Forschungsgemeinschaft in Kooperaton mit der Akademie der bildenden Künste Wien.
Wenn Poppers pointierte Feststellung „Alles Leben ist Problemlösen“ zutrifft, so gilt sie für wissenschaftliche und künstlerische Handlungen ebenso wie für alltägliche Situationen. Doch welche Funktion und Dynamik hat die Vorstellung von Problemen und ihrer Lösung überhaupt? Vor allem Versuche, Probleme zu lösen, die als besonders schwierig, ja als unlösbar erscheinen, wirken seit jeher faszinierend, wovon Metaphern wie etwa „das Ei des Kolumbus“ oder „die Quadratur des Kreises“ zeugen. Die Formulierung „das Ei des Kolumbus“ kursiert seit Girolamo Benzonis Historia del mondo nuovo (1565). Als „Quadratur des Kreises“ gilt nicht nur ein spezielles geometrisches Rätsel, sondern – im alltäglichen Sprachgebrauch – Vieles, was in hohem Maß als rätselhaft gilt.
Zu den frühesten Beispielen für ein scheinbar unlösbares Problem und seine unorthodoxe Lösung gehört die aus der griechischen Mythologie bekannte Rede vom „Gordischen Knoten“: Die von Götterhand am Streitwagen des phrygischen Königs Gordios (ca. 7./8. Jh.v.Chr.) angebrachte Seilverbindung zwischen Deichsel und Pferdegeschirr war so kunstvoll verknotet, dass sie als untrennbar galt. Die Prophezeiung des Gordios, dass mit der Lösung des Knotens größte politische Macht (damals: die Vorherrschaft über Asien) zu erringen sei, entfachte einen Wettbewerb, den letztlich Alexander d.Gr. für sich entschied. Die Erzähltraditionen berichten von verschiedenen – stets überraschenden, weil „einfach“ wirkenden – Lösungswegen: Der prominentesten Tradition zufolge durchschlug Alexander den Knoten gewaltsam mit seinem Schwert; alternativ wird von klugen Handgriffen berichtet (z.B. dem Herausziehen des Pflocks). Analoge Szenarien der Überwindung von Hindernissen, die zunächst als unüberwindbar gelten, sind auch in Wissenschaft und Kunst zu beobachten. Ausgehend von der Metapher des „Gordischen Knotens“ widmet sich das Symposium u.a. folgenden Fragen, die mithilfe anschaulich vermittelter Bespiele diskutiert werden sollen:
BEDEUTUNG UND VIELFALT VON PROBLEMEN: Was ist damit gemeint, dass Leben schlichtweg im Lösen von Problemen bestehe? Hängen all die Phänomene, die allgemein als Probleme bezeichnet werden, systematisch miteinander zusammen oder zeichnen sich bestimmte Herausforderungen, vor denen Menschen (nicht zuletzt in Wissenschaft und Kunst) stehen, durch Merkmale aus, die rechtfertigen, sie als Probleme im eigentlichen Sinne von anderen, alltäglichen Phänomenen abzugrenzen? Wie lässt sich erklären, dass bestimmte Probleme lange Zeit als unlösbar gelten? Welche Hindernisse sind zu überwinden, um mit solchen Problemen erfolgreich(er) umzugehen? Lassen sich Heuristiken für den angemessenen Umgang mit schwierigen Problemen feststellen bzw. differenzieren? Wie schlägt sich die Herausforderung durch besonders schwierige Problemstellungen und die Fähigkeit zu teils überraschenden Lösungen im Sprachgebrauch nieder?
DER UMGANG MIT PROBLEMEN IN WISSENSCHAFT UND KUNST: Inwiefern gleichen bzw. unterscheiden sich „Problem“-Annahmen in Kunst und Wissenschaft? Sind Paradigmen und deren Wechsel erkennbar? Lassen sich Lösungsszenarien in Kunst und Wissenschaft in bestimmten Fällen sogar aufeinander beziehen? Wie gestaltet sich da und dort der Umgang mit besonders schwierigen, oft als unlösbar geltenden Problemen? Kann von Traditionen gesprochen werden, wie besonders schwierige Probleme gelöst wurden und werden? Inwiefern ist von konventionellen bzw. unkonventionellen Lösungsstrategien zu sprechen? Sind dabei wechselseitige Einflüsse zwischen Wissenschaft und Kunst zu erkennen? Ist die Annahme gerechtfertigt, dass besonders vertrackte Probleme sich mitunter am ehesten durch die Anwendung einer Strategie lösen lassen, die ursprünglich für einen anderen Bereich entwickelt worden ist?
WIE PROBLEMKNOTEN ENTWIRRT WERDEN KÖNNEN: Lässt sich die mythologisch inspirierte Metapher vom „Gordischen Knoten“ systematisch nutzen? Welche Möglichkeiten bietet etwa die mathematische Knotentheorie, die von ihr untersuchten Probleme und die dafür entwickelten theoretischen Lösungen so zu verallgemeinern, dass sie auf eine Vielfalt von Bereichen angewendet werden können? Brauchen wir andererseits derart systematische Ansätze, um mit besonders schwierigen Problemen umzugehen? Bietet etwa ein spielerischer Ansatz eher die Chance zum „Aha“-Erlebnis, zu einer Lösung, an die zuvor niemand gedacht hätte? Und ist ein solches Ausreizen von Möglichkeits-Spielräumen ein Kennzeichen von Kunst? Wie lassen sich schließlich die verschiedenen Methoden für die Analyse und Lösung konkreter und gravierender (z.B. politischer) Probleme nutzen?
Programm:
Freitag 16. November 2012
09.15 Begrüßung Eva Blimlinger (Wien)
Einleitung Otto Neumaier (Salzburg)
BEDEUTUNG UND VIELFALT VON PROBLEMEN
09.30 Ist alles Leben Problemlösen?
Silja Freudenberger (Aachen)
10.00 Diskussion
10.30 Zur Logik des Seltsamen. Paradoxien und ihre Lösungsstrategien
Frank Kannetzky (Bremen)
11.00 Diskussion
11.30 Kaffeepause
12.00 Poetische Adynatie – Gelöste Unlösbarkeit in der Literatur
Manfred Kern (Salzburg)
12.30 Diskussion
13.00 Mittagspause
DER UMGANG MIT PROBLEMEN IN WISSENSCHAFT UND KUNST
14.00 Wissenschaftliche/künstlerische Probleme/Lösungen
Ernst Peter Fischer (Konstanz)
14.30 Diskussion
15.00 Künstlerische Lösungen für soziale Probleme?
Angelika Bartl (Bremen)
15.30 Diskussion
16.00 Kaffeepause
16.30 Künstlerische Hirngespinste
Wolfgang Gratzer/Otto Neumaier im Gespräch mit Marino Formenti (Wien) und Lisl Ponger (Wien)
17.30 Diskussion
18.00 Kaffeepause
18.30 Lecture-Performance: (Un-)mögliche Bewegungen im Tanz
Claudia Jeschke (Salzburg), Rainer Krenstetter (Berlin)
19.15 Diskussion
Samstag 17. November 2012
WIE PROBLEMKNOTEN ENTWIRRT WERDEN KÖNNEN
09.30 Aktuelle Herausforderungen und Anwendungen der Knotentheorie
Meike Akveld (Zürich)
10.00 Diskussion
10.30 Stillstand und Fortschritt in politischen Langzeitkonflikten
Rolf Steininger (Bozen/Innsbruck)
11.00 Diskussion
11.30 Kaffeepause
12.00 Der “Gordische Knoten” als Spiel
Rainer Buland (Salzburg)
12.30 Diskussion
Teilnehmer_innen:
Dr. Meike Akveld, Department of Mathematics, ETH Zürich
Dr. Angelika Bartl, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik, Universität Bremen
Mag. Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien
Dr. Rainer Buland, Institut für Spielforschung, Universität Mozarteum Salzburg
Prof. Ernst Peter Fischer, Professor für Wissenschaftsgeschichte, Universität Konstanz
Marino Formenti, Pianist und Dirigent, Wien
Dr. Silja Freudenberger, Philosophisches Institut der RWTH Aachen
Prof. Wolfgang Gratzer, Institut für Musikwissenschaft / Vizerektor für Entwicklung und Forschung, Universität Mozarteum Salzburg
Prof. Claudia Jeschke, Fachbereich Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft, Universität Salzburg
Dr. Frank Kannetzky, Institut für Philosophie, Universität Bremen
Prof. Manfred Kern, Fachbereich Germanistik, Universität Salzburg
Rainer Krenstetter, Solo-Balletttänzer, Staatsballett Berlin
Prof. Otto Neumaier, Fachbereich Philosophie an der Kultur- und Gesellschaftswissensch. Fakultät, Universität Salzburg; Leiter der Arbeitsgemeinschaft
Lisl Ponger, Fotografin und Filmemacherin, Wien
Prof. Rolf Steininger, Institut für Zeitgeschichte, Universität Innsbruck