Skip to main content

die bildende 04

Schwerpunktthema: Arbeitsverhältnisse
Mit Beiträgen u.a. von: Fahim Amir, Anthony Davies, Anne Katrin Feßler, Anette Freudenberger, Stefan Gruber, Jens Kastner, Marceline Martischnig, Elisabeth Mayerhofer, Angela McRobbie, Monika Mokre, Marion von Osten, Roland Schöny, Dietmar Schwärzler, Ruth Sonderegger, Lucie Stahl und Ingeburg Wurzer.
07.01.2009

Poster Innenseite: Adrien Tirtiaux, The sinking of the Göke, Sinop (TR), 2008

In den 1990er-Jahren ist die Zahl der KunsthochschulabsolventInnen um rund 65 Prozent gestiegen. Eine alte Frage wird umso dringlicher: Wenn nur wenige der AbsolventInnen im Kunstmarkt und den Museen Fuß fassen, was tun die vielen anderen?

Das Multitasking scheint für die heutigen Arbeitsverhältnisse von KünstlerInnen die Regel und nicht mehr die peinlich verschwiegene Ausnahme. Die für die Sicherung des Auskommens notwendigen Jobs dienen nicht mehr nur dem Broterwerb, sondern ergänzen, befruchten manchmal sogar die künstlerische Tätigkeit.

Der Zirkel »Kunst – Industrie – soziales Projekt« hat sich in der entsprechenden Forschung als typisches Profil ästhetischer Praxis etabliert. Und die ForscherInnen gehen davon aus, dass die Kreativindustrie nur wegen dieses Kreislaufs erfolgreich ist. Umgekehrt verändert sich die Kunst angesichts der neuen Erfahrungen, die KünstlerInnen bei ihrem Multitasking sammeln. Es scheint geradezu so, als hätte sich hier die Kunst eine neue Öffentlichkeit erobert – parallel zum althergebrachten Modell von Kunstmarkt und Museum. »The ›mentality‹ of artists has simply become too valuable to be left to artists alone«, resümieren Kate Oakley, Brooke Sperry and Andy Pratt die Lage in ihrem neuen Report The Art of Innovation: How Fine Arts Graduates Contribute to Innovation. Ihre Studie nennt wesentliche »skills«, die KünstlerInnen auch außerhalb der Kunstszene erfolgreich machen: ihre Fähigkeit, Grenzen zu überschreiten und soziale oder professionelle Netzwerke aufzubauen; ihre Fähigkeit, kontinuierlich und rasch zu lernen; ihre Nähe zu den KonsumentInnen, denn künstlerische Produkte entstehen nur, weil KünstlerInnen immer wieder in die Rolle von KunstrezipientInnen schlüpfen. Schließlich werden KünstlerInnen ihr gesamtes Studium hindurch trainiert, in Projekten zu arbeiten und dabei auch Flexibilität bis zur Selbstausbeutung zu beweisen. Andere Fähigkeiten sind die kritische Analyse, das Umgehen mit vieldeutigen Situationen und das Beherrschen eines impliziten, körperlichen Wissens.

Die Akademie hat diesen Fragestellungen vor kurzem ein Symposium gewidmet, das großzügig von der Montag-Stiftung unterstützt wurde. In diesem Heft treten noch einmal einige der Vortragenden auf und fassen ihre Thesen in knappen Texten zusammen. Fazit nach der Lektüre: Die Kunsthochschulen sind mit einer brisanten Veränderung im Profil der KünstlerInnen konfrontiert, für die sie in ihren Strukturen erst noch eine Antwort finden müssen.

Rektor Stephan Schmidt-Wulffen


Bisher erschienen:

die bildende 03 : Höher hängen! Die Akademie und ihre Sammlungen

die bildende 02 : Künstlerische Forschung

die bildende 01 : Sound